Gauting:Wendig, agil und zupackend

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Die Geigerin Soyoung Yoon und Cellist Benjamin Gregor-Smith. (Foto: Nila Thiel)

Das Orion-Streichtrio scheut sich nicht, auch mal sinfonisch zu protzen

Von Reinhard Palmer, Gauting

Das Einfache kann manchmal eine große Herausforderung sein. Erst recht, wenn es klein dimensioniert ist, wie die "Miniaturen" op. 75a von Drořák, die sofort zur Sache kommen. Als "Bagatellen" für Dilettanten bezeichnete der Komponist sie und betonte, dass es ihn genauso erfreue, sie zu komponieren, wie eine Symphonie. Das Orion Streichtrio hat offenbar diese Aussage als Zugriff auf die vier lose angereihten Stücke gewählt, und füllte den Gautinger Bosco-Saal dabei mit reichlich spielfreudiger Farbsubstanz.

Sind die schlichten musikalischen Qualitäten kostbar und mit Hingabe herausgearbeitet, gerät die Einfachheit der Stücke schnell in den Hintergrund. Vielleicht hätte man sich im Capriccio ein derberes musikantisches Poltern gewünscht, doch die drei preisgekrönten Instrumentalisten dosierten stets mit viel Bedacht und einem Ohr aufs gesamte Repertoire des Abends gerichtet. Zudem lag dem Trio offenbar viel an gepflegt-kultivierter Tonbildung. Das sollte weitgehend selbst für Schnittkes Streichtrio von 1985 gelten.

Zumindest für die klangschönen romantischen Passagen in Schuberts Manier, die der Komponist aber immer wieder vernichtend kontrastieren ließ. Hier scheuten es die drei Musiker dann doch nicht, aggressiv und mit gebührender Schärfe in die Vollen zu gehen und mit massiver Klangfülle sinfonisch zu protzen. Aber Schnittke verlangte es geradezu, denn das Ständchen zum 100. Geburtstag von Alban Berg mit dem ins Tragische verkehrten Liedthema "Happy Birthday to you" ist alles andere als ein freudiges Jubilieren. Es steckt schon viel Sarkasmus in dieser gewichtigen Tonschöpfung. Eine Vorahnung? Schnittke war da zwar erst 51 Jahre alt, sollte aber kurz darauf den ersten seiner vier Schlaganfälle erleiden.

Die drei Solisten und Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel sind als Kammermusiker durchaus Puristen, wenn auch in ihren Eigenheiten auf eine jeweils andere Art. Die Südkoreanerin Soyoung Yoon ist eine temperamentvoll zupackende Geigerin, die ihre weibliche Feinsinnigkeit aber keinesfalls verleugnet und eine zwar straffe, aber überaus blühende Oberstimme kreiert. Die Fähigkeit des deutschen Bratschisten Veit Hertenstein, wendig und agil zwischen violinistischer Brillanz und warmer Fülle des Cellos zu vermitteln, füllte die Mittellage nahtlos aus. Diese Verklammerung war ein deutlicher Beitrag zur Bildung eines homogenen Klangkörpers, den der Brite Benjamin Gregor-Smith mit einer schlanken, sanglich phrasierenden Cellostimme abrundete. Das ergab ein recht offenes Material für ein wandelbares Klangbild und Wendigkeit im Zugriff.

Eigenschaften, die hier allerdings nicht allzu sehr strapaziert werden mussten, denn die Dramaturgie des Programms nutzte subtile Verbindungen der Stücke untereinander, um eine schlüssige Entwicklung auf das Beethoven-Streichtrio hin auszurichten. Das c-Moll-Trio op. 9/3 Beethovens ist ein Werk einer sehr intensiven Jugend, doch im Schatten unsicherer Zeiten. Dass sich im zweiten Block nach der Pause Schubert, Kodály und Beethoven nahestanden, hatte daher schon komplexe Gründe.

Bei Schuberts Allegro B-Dur des unvollendeten Streichtrios kam es durch den stilistischen Rückgriff auf Haydn und vor allem Mozart, den das Orion Streichtrio behutsam an die Schubertsche Klangsinnlichkeit heranführte. Eine Mischung, an der auch Kodály in Budapest geschult worden war. Für das Ensemble Grund genug, die ungarische Volkstümlichkeit mit Leichtigkeit und weniger knalligem Kolorit zu veredeln. So vermochte das Intermezzo von 1905 eine Zäsur ins Programm zu setzen, ohne den roten Faden zu verlassen.

Ernst von Dohnányis erster Satz der Serenade - Vorbild für Kodálys Intermezzo - belohnte den lang andauernden Schlussapplaus.

© SZ vom 18.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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