Gauting:Vorsichtige Annäherung

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Lena Neudauer und Paul Rivinius spielen im Bosco Violinsonaten

Von Reinhard Palmer, Gauting

Violine und Klavier: Eine reichlich mit Musikliteratur bedachte Konstellation, die es seit Mozart als gleichberechtigtes Duo gibt. So selbstverständlich insbesondere die Violinsonate für uns heute ist, war sie dennoch im Laufe ihrer Entwicklung schon mal in Bedrängnis geraten. Etwa bei Ravel, der die beiden Instrumente für unvereinbar hielt, als er seine Violinsonate schrieb. Das verwundert insofern, da doch Ravel selbst sein ästhetisches Ideal mit der knappen Formel auf den Punkt gebracht hatte: "absolut einfach, nichts als Mozart". Ein Spannungsverhältnis, das die herausragende Geigerin Lena Neudauer, der das Gautinger Bosco-Heimspiel vordringlich galt, und der international renommierte Pianist Paul Rivinius zum Anlass für ein abendfüllendes Programm nahmen.

Es war inhaltlich schon ein weiter Bogen, den das homogene Duo zog. Nicht nur aufgrund der weiten Zeitspanne, in der das Repertoire des Abends entstanden ist. Vielmehr in den Relationen der beiden Instrumente zueinander. Im Grunde waren sie bereits in der zweisätzigen Mozart-Sonate A-Dur KV 305 im Keim angelegt, werden doch insbesondere im Variationssatz diverse Möglichkeiten des Zusammenwirkens durchexerziert. Und Neudauer und Rivinius taten gut daran, keine dichte Einheit daraus zu stricken. Das Ringen Mozarts um die Gleichberechtigung der Instrumente wurde so darin spürbar und machte einmal mehr deutlich, welch enorme Errungenschaft es bedeutete, Möglichkeiten einer kammermusikalischen Einheit zu finden und aus mehreren Instrumenten ein Ensemble zu formen. Neudauer und Rivinius näherten sich sehr vorsichtig den Eigenheiten der Variationen, sodass bisweilen mehr Fragen gestellt als beantwortet wurden - durchaus im Sinne der Thematik des Abends.

Diese zaghafte Herangehensweise hatte auf der anderen Seite auch ihre Reize. Im Klavierpart nutzte Rivinius die schlanke Linie für die feinst ziselierte Ausarbeitung von Details. Technisch herausragend, zauberte der Pianist einen packenden Mix aus Präzision und höchster Aufmerksamkeit in Ensemblepassagen, aus narrativer Phrasenbildung und ausdrucksstarker Sanglichkeit, wenn ihm die Führungsrolle zufiel. Er vermochte sich auch weit, doch immer noch klangvoll zurückzunehmen, wenn die Violine das Wort ergriff. Neudauers Zugriff ist grundsätzlich von einer tief beseelten Atmosphäre durchdrungen, in der fesselndes Dialogisieren mit dem Klavier schon auch zaghaft, ja unentschlossen sein darf. Dahinter steht eine weite emotionale Öffnung der Geigerin, die eben Sensibilität und Verletzlichkeit impliziert. Das ist nicht zuletzt deshalb so reizvoll, weil ihre Lorenzo-Guadagnini-Violine von 1743 viel Charakter zeigt und nicht den vordergründigen Glanz sucht. Doch nicht nur Melos und Lyrik, sondern auch unbeschwerte Heiterkeit blühten dadurch um so mehr, so Letzteres bereits im spritzigen Kopfsatz der Mozart-Sonate, aber auch besonders im Menuetto in Schuberts Sonatine g-Moll D 408.

Die besondere Atmosphäre, in die auch Rivinius überzeugend einzutauchen verstand, sollte zum Abschluss einen ganz großen Auftritt bekommen. Faurés Sonate A-Dur op. 13 gab immer wieder das Material für große Klangfluten, die meist von einer gewissen Euphorie im Ausdruck getragen wurden. Die Überwindung der klassischen deutschen Form zugunsten einer französischen geht in dieser Sonate mit einem unentwegten Changieren in den Stimmungen und im klangmalerisch angelegten Kolorit einher. Großartig, wie das Duo hier emotional dicht und intensiv das Auf und Ab in einem stimmigen, von ruheloser Leidenschaft getragenen Bogen eingespannt hat. Frenetische Ovationen und Kreislers "Synkopen" in der Zugabe.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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