Gauting:Vollkommene Klarheit

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Pianist Alexej Gorlatch begeistert das Gautinger Publikum

Von Reinhard Palmer, Gauting

Es war wieder mal eine der Sternstunden im Klassikforum des Gautinger Bosco. Das Programm, das der in Kiew geborene Alexej Gorlatch mitbrachte, war auch dafür prädestiniert, das Publikum mitzureißen. Es ging um ein Spannungsfeld zwischen Beethoven und Chopin, zwischen Klassik und Romantik. Ein Forschungsprojekt, mit dem es Gorlatch die sonst wenig beachtete Verbindungen zu knüpfen gelungen ist - sieht man mal vom keltisch geprägten "The Currach" des irischen Komponisten Bill Whelan ab, der vor allem von der Musik zur Tanzshow "Riverdance" bekannt geworden ist.

Dieser scherzoartige Satz in Gershwin-Manier mit einem romantisch-melodiösen Trio war hier die Zäsur zwischen Beethoven und Chopin, eine Art Irritation. Ein programmatischer Ansatz war bei Whelan allerdings passend zum Repertoire des Abends vorhanden, so, wie ihn die beiden großen Komponisten verstanden. Noch nicht in der Klangmalerei der Romantik angekommen, suchten sie nach neuen Formeln des Ausdrucks. Chopins Préludes op. 28 sind eine Sammlung von solchen Ausdrucksgesten in aphoristischer Knappheit, die es in den großen Werken zu variieren und miteinander zu verknüpfen galt.

Um bei den Préludes zu bleiben: Aus so kleinen Stücken große Musik zu machen, das ist die wahre pianistische Kunst. Und Gorlatch vermochte hier eine geballte Kraft auf die jeweilige Idee zu fokussieren. Jedes der acht ausgewählten Préludes hüllte der 27-jährige Pianist in eine magische Aura. Um solche Ausdrucksformulierungen ging es schon Beethoven, als er um 1801 beschloss, anders zu komponieren. Die Mondscheinsonate bot ihm das Experimentierfeld dafür. Und Gorlatch griff das Neue konsequent auf, spielte ohne Pausen zwischen den Sätzen, eben als "quasi una fantasia", wie es im Untertitel heißt. Feinste Differenzierung war hier gefragt, um den Bogen so schlüssig über das gesamte Werk zu spannen. Und dafür steht Gorlatch ein fantastisches spieltechnisches Material zur Verfügung. Den Kopfsatz der Mondscheinsonate spielte er mit geradezu meditativer Ebenmäßigkeit.

Virtuosität kam hier nicht zu kurz, begeisterte schon zum Auftakt mit der Sturmsonate, vor allem im entfesselten Finale. Auch die Mondscheinsonate klang mit einem stürmischen Wirbeln aus. Doch auch in diesem Fluss der Emotionen verstand es Gorlatch, sachte Zäsuren und überraschende Stimmungswechsel einzuflechten. Alle Fäden liefen auf das große Scherzo b-Moll op. 31 von Chopin zu. Hier fand die Idee der abstrahierten Ausdrucksformel die Erfüllung. In vollkommener Klarheit und Transparenz hob Gorlatch das Wesentliche hervor und verwandelte die harmonischen Füllungen in klingende Farbfolien und feinsinnig ausbalancierte Stimmungsformen. Und dies in aller Ruhe, selbst wenn es sich dabei um die rasanteste Fingerakrobatik handelte. In wenigen Tagen legt Alexej Gorlatch sein Konzertexamen ab - wofür auch immer. Schließlich hat er schon alle internationalen Wettbewerbe gewonnen. In Gauting rief er frenetische Beifallsstürme hervor.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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