Gauting:Virtuos, aber mit wenig Poesie

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"Café del mundo" begeistern mit rhythmischem Flamenco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Mit dem Flamenco ist es wie mit Gospel oder Blues: Er ist verwurzelt in einer weit zurückreichenden Tradition, entstanden in einer besonderen Situation und in einer einzigartigen Landschaft. Muss man also an der Tradition festhalten oder spiegelt nicht gerade eine Durchmischung mit Jazz, Weltmusik oder Klassik kulturelle Entwicklung und gesellschaftlichen Wandel? Die Flamencogitarristen Jan Pascal und Alexander Kilian gehen als Café del mundo einen eigenen Weg: Südamerikanische Stimmungen ziehen sie dem arabisierenden Element vor, was die Harmonik aufhellt und das Temperament betont. Ihre Form des konzertant-virtuosen Flamencos, der auch Ausflüge in den Jazz erlaubt, kam im fast ausverkauftem Gautinger "Bosco" sehr gut an.

Es ist anzunehmen, das Pascal und Kilian die traditionellen Spieltechniken beherrschen. Doch die Leidenschaft der zigeunerisch-andalusischen Seele, die der Flamenco mit sehnsuchtsvollen, schmachtenden Melodien in weichem Pulgar-(Daumen)-Spiel oder unter die Haut gehendem Tremoli exponiert, ist wohl weniger die Domäne von Café del mundo. Der auf reine Rhythmik fokussierte Flamenco, den hier der Peruaner César Gamero mit dem Cajón und Percussion anschärfte, ist vor allem auf Gesang und Tanz gemünzt. Den brachte das Ensemble mit der Sevillanerin Azucena Rubio auf die Bühne, die vor allem mit ihren rasanten Stepp-Soli Begeisterungsstürme erntete. Aber sie überzeugte mit weit mehr: Ihre runde und fließende Körper-, Arm- und Handarbeit bis in die Fingerspitzen brachte in den Tanz viel Poesie, was jedoch in der Musik nicht ausreichend Entsprechung fand. Dass all das mit den Tanzrhythmen wie Solea, Alegría, Bulería oder Tango machbar ist, beweist nur die Universalität des Flamenco im weitesten Sinne, der sich bereits aus unzähligen Einflüssen über Jahrhunderte geformt hat. Ja, der Flamenco ist per se bereits Weltmusik - Café del mundo eben.

Die rasante Spieltechnik begeisterte das Publikum am meisten, was das Duo dazu animierte, immer mehr Fingergeschicklichkeit zu demonstrieren. Gutes Material in ausgelassener Heiterkeit lieferte dafür "La Fiesta", das Pascal und Kilian aus dem gleichnamigen Jazzstück von Chick Corea extrahiert hatten. Stille Momente, wie in den liedhaften Balladen "León Dormido" oder "Danza Espagnol" taten dem Programm gut, gewannen doch durch diese Kontraste auch die virtuosen Attacken an Wirkung.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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