Kein Weihnachtszuschuss für Arme:Unverständnis über Gautings Sparkurs

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Der Waldorf-Kindergarten an der Tassilostraße in der Villenkolonie gehört zum Immobilienvermögen der Gautinger Sozialstiftung. (Foto: Nila Thiel)

Rund 200 finanziell bedürftige Menschen müssen mit dem Verzicht ihres Weihnachtsgeldes rechnen. Um besondere Härten abfedern zu können, setzt die Gemeinde im Herbst auf ihre jährliche Spendenaktion

Von Michael Berzl, Gauting

Der angekündigte Sparkurs bei der Gautinger Sozialstiftung stößt im Ort auf Unverständnis. So berichtet der ehemalige Gemeinderat Jürgen Schade, er werde sogar auf der Straße oder im Schwimmbad deswegen angesprochen und gefragt, warum die Bürgermeisterin "so viel Geld für Straßen und Gutachten ausgibt, aber bei Menschen mit geringem Lebensstandard spart". Es sind etwa 200 Menschen, die finanziell nicht so gut dastehen und deshalb bisher aus Mitteln der Stiftung zu Weihnachten 150 Euro bekommen haben. Drei Jahre ging das nun so, doch jetzt reicht das Geld nicht mehr. Gemeindekämmerin Heike Seyberth kündigte daher an, dass die Zuwendung gestrichen, zumindest aber gekürzt werden müsse. Die bislang übliche Summe gebe es aber "auf keinen Fall", sagte Rathauschefin Brigitte Kössinger.

Es gibt eine Liste im Rathaus, auf der vermerkt ist, wer die Zuwendungen bekommt. "Die Leute haben sich mittlerweile schon darauf verlassen", berichtete Bürgermeisterin Kössinger im Gemeinderat. Sie habe sogar Dankesbriefe erhalten. Nun aber muss sie eher mit Protesten rechnen, und die Überarbeitung der Liste, die im November wieder ansteht, wird diesmal wohl besonders schwierig.

Um besondere Härten abfedern zu können, setzt die Gemeinde auf ihre jährliche Spendenaktion im Herbst. Ein entsprechender Aufruf werde im Oktober veröffentlicht, kündigte Kössinger an. Allerdings ist schwer abzuschätzen, wie erfolgreich der Appell ist. So sind zum Beispiel im vergangenen Jahr knapp 18 000 Euro eingegangen, im Jahr zuvor war dagegen ein Spitzenergebnis von etwas mehr als 26 000 Euro erzielt worden. SPD-Fraktionssprecherin Julia Ney würde gerne auch die Gemeinderäte in die Pflicht nehmen, um den Betrag etwas aufzustocken, und regte "als Zeichen" an: "Spenden wir doch unsere Monatspauschale!"

Die Erträge der Stiftung allein reichen jedenfalls nicht mehr für Ausschüttungen in der bisherigen Größenordnung aus. Nach den Zahlen in der Jahresrechnung, die der Gautinger Gemeinderat in der vergangenen Woche gebilligt hat, wurden in den vergangenen beiden Jahren jeweils mehr als 130 000 Euro ausbezahlt. Das sind zum Beispiel Mietzuschüsse, Zuschüsse für die Kinderbetreuung oder Einzelbeihilfen und die Weihnachtszuwendungen. Spenden und Erlöse aus dem Stiftungsvermögen erlaubten es "Jahr für Jahr" etwa 100 000 Euro an hilfsbedürftige Gautinger zu verteilen, teilt die Gemeinde auf ihrer Homepage mit. Diese Zahlen muss man nun wohl etwas nach unten korrigieren. Nach den Worten von Kämmerin Seyberth stehen pro Jahr künftig lediglich 50 000 Euro zur Verfügung. "Man muss sich überlegen, wie es weitergeht", sagte sie.

Einfach Zuwendungen streichen finden einige Gautinger wohl nicht so gut. Der ehemalige Gemeinderat Schade, der dem Ortsvorstand der Grünen angehört, schreibt in einer E-Mail an die SZ: "Eine wohlsituierte Gemeinde wie Gauting kann doch auf ihren kleinen Beitrag nicht verzichten, dass die Oma zu Weihnachten ihrer Enkelin ein kleines Geschenk machen kann oder sich eine Konzertkarte für das Bosco gönnt".

Seit bald 40 Jahren gibt es nun solche Zuwendungen für Bedürftige. Die Sozialstiftung entstand im Jahr 1977 aus der Zusammenlegung der ehemaligen Haerlin'schen Kinderfürsorgestiftung und der gemeindlichen Ludwig und Marie Therese-Stiftung. Wegen der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt ist es nun aber so schwierig wie noch nie zuvor geworden, Einkünfte zu erzielen. Ein Großteil des einstigen Geldvermögens steckt mittlerweile in Immobilien. dazu zählt auch ein Grundstück an der Tassilostraße in der Villenkolonie. Pacht und Mieten für Flächen und Gebäude haben im vergangenen Jahr 150 000 Euro eingebracht. Doch das dürfte sich ändern. Gemeindekämmerin Seyberth kündigte an, "die Mieten angemessen anzupassen", auf deutsch: zu erhöhen. Die Gemeinde werde "alle Wohnungen dahingehend überprüfen", heißt es dazu in den Erläuterungen in der Jahresrechnung. Für den Kindergarten an der Tassilostraße gelte jedoch eine "Sondersituation".

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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