Gauting:Tücke der Förderung

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Jurymitglied Tanja Weber zur Glättung von Drehbüchern

Von Blanche Mamer, Gauting

Sie ist mit dem Hund im Schlosspark in Gauting unterwegs - eine halbe Stunde Muße und Zeit für ein kurzes Gespräch. Denn die vergangenen Wochen waren Stress pur für die Gautinger Roman- und Drehbuchautorin Tanja Weber. Sie ist an der Organisation der Drehbuchreihe des Fünfseen-Filmfestivals beteiligt und in der Jury für den Dachs-Drehbuchpreis. Das war alles wunderbar geplant, ganz locker, sagt sie, bis ihr Verlag den Abgabetermin für einen neuen Roman um zwei Monate vorverlegte. Statt Ende September ist die Deadline jetzt am 31. Juli. Und das heißt, möglichst keine Unterbrechungen beim Arbeitspensum, sich möglichst nicht stören lassen: Telefon aus, Handy aus, nur ab und an mal E-Mails prüfen. Doch der Berner Sennenhund braucht Auslauf, muss regelmäßig an die Luft. Das sind willkommene Verschnaufpausen für die Autorin.

"Vom Montag an kann ich das Filmfestival genießen", sagt Weber. An diesem Wochenende ist sie noch richtig eingespannt. Das FSFF ist das einzige Filmfestival in Deutschland, das sich mit Drehbüchern befasst und deren Bedeutung im Entstehungsprozess der Filme. Weber hat selbst an Büchern für TV-Serien mitgearbeitet, wie "Türkisch für Anfänger", "Verliebt in Berlin", "Dahoam ist dahoam", "Marienhof". Sie wird das Werkstattgespräch in Gauting genau verfolgen, auch die Podiumsdiskussion "Fokus Drehbuch" in der Schlossberghalle, an deren Organisation sie beteiligt war.

Als Jurymitglied für den Dachs-Drehbuchpreis, der heuer erstmals verliehen wird, hat sie an zwei Wochenenden zehn Filme aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol angeschaut, diskutiert und bewertet. Welcher Film den Drehbuchpreis bekommt, hat sie natürlich nicht verraten, der Preis wird beim Empfang der Drehbuchautoren an diesem Samstag verliehen. Die nominierten Filme sind beim Filmfestival zu sehen.

Ihr Urteil über deutsche Filme fällt ziemlich hart aus. Schweizer und österreichische Filmemacher wagten viel mehr, findet sie. Das liege allerdings hauptsächlich an der Förderung. "Die TV-Mitfinanzierung macht den deutschen Kinofilm kaputt", kritisiert sie. Die meisten Spielfilme werden mittlerweile von Rundfunkanstalten kofinanziert, mit dem Ziel, die Zweitvermarktung zu sichern. "Da wird schon sehr früh Einfluss genommen. Schon bei der Bewertung des Exposés und der Entwicklung des Drehbuchs ist die Schere im Kopf des Redakteurs zu erkennen. Starke Geschichten, Experimente, gewagte Wendungen werden sofort entschärft, die Story wird geglättet, bevor die erste Szene gedreht wird." Durch die verschiedenen Fördertöpfe der Bundesländer entstehe ein richtiger Drehtourismus. Wenn ein Film, der in Bayern spielt, Geld vom hessischen Rundfunk bekommt, müsse das Filmteam mindestens einmal nach Hessen, um da zu drehen, selbst wenn das ursprünglich nicht vorgesehen war. Doch trotz aller Kritik: Ins Kino geht sie gerne. "Ich versuche, mir alle Wettbewerbsfilme, die in Gauting laufen, anzuschauen. Es gibt ziemlich viel im Programm, was ich sehen will. Und einige grandiose Filme habe ich vorab gesehen, zum Beispiel '17' und 'Seven Days'."

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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