Gautinger Kultur:Spannende Geschichtsstunde

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Zum Abschluss des Literarischen Herbstes 2016 belegen Gerd Holzheimer und Elisabeth Carr mit einer archäologischen Zeitreise durch die Gemeinde, dass wir alle Römer waren

Von Katja Sebald, Gauting

Es ist alles eine Geschichte: So war die letzte Veranstaltung des diesjährigen Literarischen Herbstes überschrieben. Die Veranstalter Elisabeth Carr und Gerd Holzheimer hatten in den Park von Schloss Fußberg gebeten, um auf geschichtsträchtigem Boden aufzuzeigen, dass die Bewohner Gautings, also der historischen Römersiedlung Bratananium, und die Bewohner von Palmyra, dem historischen Municipium in der römischen Provinz Syria, einst Bürger desselben Staatswesens und sich deshalb vielleicht näher waren, als manch einer das heute glauben möchte.

Das Anekdotenhafte durfte in dieser unterhaltsamen Geschichts- und Geschichtenstunde nicht fehlen: Geplant war die Veranstaltung als Spaziergang durch den Park, wegen des kaltfeuchten Wetters musste sie kurzfristig in einen nur notdürftig geheizten Nebenraum der Remise von Schloss Fußberg verlegt werden. In dem klammen Gemäuer, in dem portugiesischer Wein und bayerischer Tee gereicht wurden, konnte man sich dann allerdings den Ehezwist ganz besonders gut vorstellen, der im zweiten nachchristlichen Jahrhundert vermutlich in der Villa Rustica im Leutstettener Moos ausgetragen wurde: Ausgerechnet im kalten Voralpenland musste sich Publius Julius Pintamus seinen Alterssitz bauen, dafür dürfte ihn seine Frau Popeia trotz Fußbodenheizung und Seeblicks immer wieder gescholten haben - schließlich stammten die beiden aus der Gegend um Braga, damals zur Provinz Hispania, heute zu Portugal gehörig, jedenfalls in südlichen Gefilden. Am Ende ließ ihm Popeia dann aber doch in den Grabstein meißeln, dass er der beste aller Ehemänner gewesen sei - bis heute nachzulesen auf dem rechten Seitenaltar in der Leutstettener Kirche, wo eben dieser Grabstein in späteren Jahrhunderten vermauert wurde.

Anekdotenhaft auch die Fußnote in dem Buch "Neue Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte Gautings" aus dem Jahr 1967, in der, vom eigentlichen Thema des Buches doch erheblich abweichend, von einem Maibaumdiebstahl im Jahr 1949 berichtet wird: Schon damals waren es die Unterbrunner, die den Gautingern den Maibaum entführten. Bei der Rückholung sei es zu "üblen Hieben" und auch sonst ausschweifender Gewaltanwendung gekommen - was jedoch "nicht dem althergebrachten Brauch entspricht", wie der Autor hinzufügte.

Ausgangspunkt für die als archäologische Zeitreise konzipierte Veranstaltung waren, so Holzheimer, die jüngsten archäologischen Funde beim Aushub für eine Flüchtlingsunterkunft unweit des Gautinger Sportplatzes. Anhand der Grabungen konnte nachgewiesen werden, wo sich der Übergang der aus Kempten kommenden Römerstraße über die Würm befand. Ausgesprochen spannend waren dazu die Ausführungen von Hansjörg Hägele von der "Gesellschaft für Archäologie und Geschichte Oberes Würmtal": Er berichtete von fünf Münzen aus Syrien, eine davon tatsächlich aus Palmyra, die bislang in Gauting gefunden wurden und die seiner Meinung nach als Beleg für Handelswege gelten dürfen, die tatsächlich in römischer Zeit von der Provinz Syria bis in die Provinz Raetia reichten. Für diesen Handel war die Straßenstation Bratananium an einer wichtigen Kreuzung nicht unerheblich.

Aber Holzheimer wäre nicht Holzheimer, wenn er für seine These "Wir waren alle Römer" nur die Wissenschaft und nicht auch die Literatur bemüht hätte: Vergil, Ovid, Marc Aurel, schließlich ein islamischer Mystiker aus dem 10. Jahrhundert und syrische Autoren der Gegenwart waren seine Zeugen. Matthias Friedrich las die Texte auf Deutsch. Für die eindringlich-schönen Gedichte des Adelbert-von Chamisso-Preisträgers Adel Karasholi, der aus Damaskus stammt, brauchte es keine Übersetzung, denn er schreibt auf Deutsch. Anderen Autoren lieh Ahmad Bakr Altakriti, der 2014 als Flüchtling aus Damaskus nach Starnberg kam, seine Stimme für das arabische Original.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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