Gauting:Sinnlichkeit und Freiheit

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Shirinyan und Fenyö betören das Bosco-Publikum

Von Reinhard Palmer, Gauting

Sichtlich entspannt nach der guten Erfahrung mit dem Gautinger Publikum im vergangenen Herbst ging die armenische Pianistin Marianna Shirinyan auf die Bosco-Bühne. Seit sie sich 2006 fünf Preise beim ARD-Musikwettbewerb erspielt hat, ist sie eine international gefragte Solistin und Kammermusikerin. Für den ungarischen Cellisten László Fenyö kam der Durchbruch 2004 mit dem Sieg beim Pablo Casals Wettbewerb. Beide Musiker genießen also eine erfahrungsgenährte Sicherheit, die sie jedoch nicht zum Abspulen von Routineprogrammen nutzten, sondern um sich gänzlich der Musik hinzugeben und mit großer Lust, Leidenschaft und Temperament in die Materie einzutauchen. Vor allem in Bartóks Rhapsodie, die formal und auch charakterlich einem Csárdás entsprechend hier ein mächtiges Feuer entfachte - aber auch tänzerische Vergnüglichkeit verbreitete, die das Duo mit leichtem Schmiss schwingen ließ.

Zu den herausragenden Qualitäten des Duos gehörten vor allem die klangliche Homogenität im reich nuancierten Kolorit sowie die lyrische Sangeskunst, die sich dank Fenyös Instrument von 1695 (Matteo Goffriller) mit eigenwilligem Charakter einbrachte. Das fand innigen Einsatz in Bachs Choralvorspielen, die in Kodálys Transkriptionen mit pianistisch donnernden Zwischenspielen expressiv daherkamen. In barocker Sinnlichkeit sang Bachs Sonate G-Dur BWV 1027, die vor allem dem Cello viel gestalterischen Freiraum zugestand. Der Aspekt formaler Freiheit verband alle Werke des Programms. Hier ging es dem Duo allerdings vielmehr darum, mit extremer Verschlankung der Substanz dem Original für Gambe und Cembalo klanglich möglichst nah zu kommen, was sich in einer überaus empfindsamen, farbenreich blühenden Gestaltung von entsprechend organisch-dynamischer Textur äußerte.

Bei Beethoven verwandelte der improvisatorische Impetus die späte Sonate C-Dur op. 102/1 in eine Fantasie mit betörend schönem Adagio. Insgesamt demonstrierte das Duo eine ausgesprochen feinnuancierte Gestaltungsvielfalt, die gerade in der F-Dur-Sonate op. 99 von Brahms auf ihre Kosten kam und mit leidenschaftlicher Energie auch große, orchestrale Akzente zu setzen vermochte. Am Ende standen anhaltende, frenetische Ovationen und zwei seelentief berührende Zugaben von Rachmaninow: Das Andante der Cello-Sonate sowie "Vocalise".

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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