Gauting:Schumann à la français

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Das Quatuor van Kuijk im Gautinger Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Es gibt gewiss viele Gründe dafür, weshalb die Gattung des Streichquartetts schon so früh zur Königsdisziplin wurde. Dass sie nicht nur eine Modeerscheinung aus Haydns Zeit war, beweist ihre Langlebigkeit, auch wenn sich das romantische 19. Jahrhundert schwer tat, mit der bis dahin entwickelten, strengen Form etwas anzufangen. Im Grunde fand erst das 20. Jahrhundert wieder eine Lösung zur Adaptation der Besetzung. In den vergangenen Jahrzehnten nahm die Quartettproduktion für Streicher beachtlich zu, wohl wegen der Flut an großartigen Ensembles. Viele davon waren schon beim Klassikforum im Gautinger Bosco zu Gast. Das Erstaunliche dabei ist, dass sie alle einen ganz eigenen Weg fanden, sich nicht nur in den Interpretationen zu unterscheiden, sondern auch einen eigenen Klang und Zugriff zu finden.

Die jungen Franzosen vom Quatuor van Kuijk haben es gewiss nicht leicht, sich in der Quartett-Euphorie sowie angesichts der hohen Erwartungshaltung des Publikums treu zu bleiben, zumal das Vorgängerensemble Quatuor Ébène die Messlatte mit packendem Zugriff extrem hoch gelegt hat. Aber das Quatuor van Kuijk ist musikalisch ein völlig anderer Typ, besann sich auf die französischen Tradition, die vor allem auf ein frisches, fein nuanciertes Kolorit setzt und beim Ausdruck nicht mit Formeln und Gesten arbeitet, sondern mit tief empfundenen Emotionen. Intimität und Aufrichtigkeit der Gefühle sind die Eigenheiten des Ensembles, das trotz des wohlgeformten Klanges seine ganz eigene Balance vielleicht doch noch nicht optimal austarieren konnte. Man ahnt jedenfalls noch mehr Potenzial, vor allem in den langsamen Sätzen. Die dynamisch modellierten Klangflächen im Andante des Streichquartetts Es-Dur KV 428 von Mozart deuteten schon an, dass empfindsame Zurückhaltung nichts an Klangsubstanz einbüßen muss. Das darin gegebene Versprechen löste das Ensemble definitiv im geradezu orchestral fülligen Adagio des Streichquartetts a-Moll op. 41/1 von Schumann mit einer fragil-zarten Oberstimme ein.

Das Quatuor van Kuijk überzeugte aber auch in den Sätzen, denen die Konsistenz nicht gerade immanent ist. Der Kopfsatz des Streichquartetts B-Dur op. 51/1 von Haydn ist so ein Satz, der unentwegt verspricht, ein Thema einzuführen, ohne es jemals zu erfüllen. Das heiter schillernde Material, bestehend aus einer Dolce-Floskel und Staccato-Triolen über einem monotonen Puls, gestalteten die vier Musiker köstlich aus. Das dankbarere Material im Vivace-Finale schürte dann noch die Spiellust der Instrumentalisten, sodass sie sich zu einem kleinen Feuerwerk hinreißen ließen.

Ja, Nicolas van Kuijk und Sylvain Favre an den Violinen sowie Grégoire Vecchioni an der Viola und François Robin am Violoncello konnten auch ordentlich zupacken. Was dann um so kraftvoller wirkte. Gerade das Scherzo bei Schumann mit seinem scharf rhythmisierten Thema lockte eine Menge Temperament aus den sehr beherrscht und konzentriert musizierenden Franzosen. Was in Mozarts Schlusssatz noch leicht und vergnüglich daherkam, erfüllte sich nun mit Angriffslust. Und war der Kehraus bei Haydn noch ein geschmeidiges Tänzchen, so legte das Quatuor van Kuijk in Schumanns Schlusssatz eine Portion Dramatik. Der lyrische Einschub kurz vor Ende wirkte darin geradezu wie eine Vision von wohliger Harmonie, aus der sich die Inszenierung der Schlusspassage effektvoll hinauswand. Ein geschickter dramaturgischer Plan, der aufging. Lang anhaltender, frenetischer Applaus und eine Mozart-Zugabe.

© SZ vom 18.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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