Gauting:Schmachten im Dreierpack

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Als "Mary from Bavary" philosophiert Luise Kinseher über das Sein und die Zeit oder die Tücken der Partnerschaft im fortgeschrittenen Alter. (Foto: Georgine Treybal)

Ob Mary, Helga oder Luise: Kabarettistin Luise Kinseher entzückt ihr Publikum im Bosco mit einem faszinierenden Wechselspiel der Rollen und schonungslosen Wahrheiten, über die man trotzdem lacht

Von Blanche Mamer, Gauting

"Ist der Toni da? Nein? Bis der hier oa'kimmt, ist ois a scho wieda vobei", lallt Mary from Bavary, alias Luise Kinseher. Alles was ist, ist Vergangenheit. Mit schwerer Zunge, auf die Stuhllehne gestützt, hält sie einen Exkurs über das Sein und die Zeit, wackelt dann ab von der Bühne im Bosco. Kommt nun im knapp sitzenden kleinen Schwarzen als Luise Kinseher wieder. Jetzt ist sie die 46-Jährige mit üppigem Busen, die auf den richtigen Mann wartet. Das heißt, zunächst wartet sie noch relativ gelassen auf einen Anruf oder eine SMS von einem bestimmten tollen Kerl, den sie eben im Fahrstuhl getroffen hat. Verdreht die Augen, schmachtend, spielt mit dem Smartphone. Was sie aber nicht davon abhält, ein paar Männer aus dem Publikum in Augenschein zu nehmen.

Sie weiß, dass das gut ankommt bei den Gautingern, denn sie ist ja nicht zum ersten Mal hier. Also einer der Zuschauer ist Arzt, das ist beruhigend, findet sie, ein anderer ist Ingenieur, einer Informatiker. "Das hätte ich auch gar nicht anders erwartet in Gauting." Dass allerdings ein Abiturient den Weg in ihr Kabarett-Programm "Ruhe bewahren" gefunden hat, macht sie richtig an. Bei diesen kleinen Flirts mit dem Publikum verliert sie nie den Überblick. Die Zuschauer lieben das.

Kinseher bringt drei Typen auf die Bühne. Antipode zur schwer beschwipsten Mary from Bavary im hellblaurosa geblümten Negligée ist die resolute Seniorin Helga Frese aus Norddeutschland. Mit Brille und beigem Staubmantel, die Arme über der Brust verschränkt, berichtet sie mit nölendem Singsang von ihrem Mann Heinz, mit dem sie sich nach 60 Jahren wunderbar versteht. Seitdem er dement ist und sich an nichts mehr erinnert, widerspricht er auch nicht mehr. Klar, das mit der Demenz und der Pflegestufe ist nicht lustig. Lachen muss man trotzdem. Die meiste Zeit gibt Kinseher ihr Alter Ego, die des Single-Daseins müde, schwer arbeitende Kabarettistin aus Niederbayern, die genügend Geld verdienen will, um sich in München eine Dreizimmer-Wohnung kaufen zu können.

Sprung zu Mary und dem Versuch, mit Yogafiguren zur Ruhe zu kommen: Das klappt nicht wirklich, der Busen ist zu üppig, der Po zu schwer, das Publikum windet sich. Eine von Kinsehers Stärken ist die Improvisation. Dass es im Bosco üblich ist, eine Pause zu machen, passt ihr zwar nicht wirklich, da sie ihre Zuhörer gerade so gut im Griff hat, doch dann baut sie ihren Unmut ein und entlässt sie doch in "eure Scheißpause".

Es geht weiter mit der resoluten Helga, die vom Kennenlernen mit Heinz erzählt. Das war auf der Damentoilette, wohin er sich verlaufen hatte. Das Publikum amüsiert sich und bedankt sich mit Szenenapplaus. Wechsel zu Kinseher: Je länger sie auf einen Anruf von dem tollen Typ aus dem Lift warten muss, desto mehr verliert er an Glamour. Vom international tätigen Galeriebesitzer mutiert er zum verheirateten rechtsradikalen Waffenhändler. Trotzdem, die Warterei ist zermürbend, und Kinseher als wunderbare im besten Alter, die immer hippeliger wird. Jetzt wartet sie kurz, doch die Lacher bleiben aus, das ist irritierend. Sicher sie ist schon viel rumgekommen - auch auf politischem Parkett. Keine Frage: "Die werfen doch alle was ein, die Mitglieder des bayerischen Kabinetts." Schließlich kennt sie alle ganz gut vom Nockherberg, wo sie als "Mama Bavaria" unterwegs ist. Die Ilse Aigner zum Beispiel, die muss doch bekifft sein, so wie sie permanent und grundlos lächelt. Oder der Markus Söder, der kann nie Ministerpräsident werden, hängt er doch am Ritalin-Tropf. Unvermittelt beginnt sie zu singen, von süßen Träumen und Wünschen. Etwas schräg, aber gut. Interessant. Jetzt hat sie ihren Applaus. Applaus, mehr als genug - da bimmelt das Smartphone: Ein Schrei! ER ist dran! Keine Zeit mehr für eine Zugabe. Wahnsinn! Wahnsinnig gut war's.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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