Gauting:Radikale Wendungen

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Ingolf Turban (li.) und Miko Nishimoto-Beubert im Bosco. (Foto: Georgine Treybal)

Ingolf Turban und Miku Nishimoto-Neubert erinnern mit ihrem Konzert an die Reichspogromnacht

Von Reinhard Palmer, Gauting

Heimspiel vor vollem Haus im bosco: Mit Ingolf Turban (Violine) und Miku Nishimoto-Neubert (Klavier) war es im Grunde zu erwarten. Viele Besucher kamen, weil sie sich für die Fingerakrobatik Turbans begeistern. Der Geiger streut mit Augenzwinkern die entsprechende Literatur - das ist Programm, um immer wieder den weihevollen Anspruch der Ernsten Musik zu unterlaufen, begleitet von süffisanter Moderation. Angesichts des 80. Jahrestages der Reichspogromnacht diesmal allerdings eher verhalten und mit kritischen Worten gegen Krieg und Gewalt, um "Sterben mit Leben zu beantworten".

Gemeint war aus dem Leben der Komponisten gegriffene vitale Musik. Teils musikalische Späße, die das Publikum unterhalten und dem Geiger die Möglichkeit geben, seine Fingerfertigkeit vorzuführen. Da denkt man an Paganini, dessen Paraphrasierung op. 13 des Themas "I Palpiti" aus Rossinis Oper "Tancredi" so ziemlich alles auf den Plan rief, was ein Meistergeiger beherrschen muss. Wahrscheinlich hatte Paganinis Freund Rossini mit seinem "Un mot à Paganini" auch so etwas im Sinn. Obgleich er als Kind schon Violine und Cembalo gelernt hatte, war ihm aber mit der Zeit die Rolle des Opernkomponisten allzu sehr ins Blut übergegangen. Ungeübt im Erfinden von Kammermusik wurde aus dieser Elegie eine wortlose Opernszene mit Rezitativen, Phrasen und Kommentaren, sentimentalen Schönmelodien, expressiven, impulsiv Nachdruck verleihenden Höhepunkten bis hin zu humorvollen Pointen.

Aus dem Vollen schöpfte Turban zum Abschluss in de Sarasates Fantasie über Bizets "Carmen" op. 25. Dass Turban so locker und eloquent seinen Part ausspielen konnte, verdankte er zum großen Teil Nishimoto-Neubert am Klavier, die ihm in ihrem reinen Begleitpart alle Freiheiten gewährte, dabei selbst allerdings zu kurz kam. Aber es gab da auch noch die Ernste Musik, etwa die Sonate d-Moll op. 108 von Brahms, mit der das Konzert begann. Das gleichwertige Zusammenspiel ließ auch nichts zu wünschen übrig, zumal Turban sich auch angemessen zurückzunehmen verstand, wenn Nishimoto-Neubert mit thematischer Führung die satte Substanz plastisch knetete.

Ähnlich intim gestaltete das Duo den Dialog in Debussys g-Moll-Sonate, die sich aber in französischer Tradition frei und mit poetischem Zauber entfaltete. Harmonisch hatte hier im Programm "Pantomime I" des anwesenden russischen Komponisten Vladimir Genin (geb. 1958) die Farbigkeit vorweggenommen, dort jedoch, um lyrisch eine atmosphärisch ausgeprägte Szene zu entwerfen. Debussy hatte wohl eher eine Reihe von Bildern im Sinn, die Turban und Nishimoto-Neubert mal rhapsodisch, mal legendenhaft reich ausstatteten. Besonders reizvoll der flammende Violingesang über schwirrendem Klavier als Vorbereitung eines finalen Feuerwerks.

Nach einem solchen Programm in der Zugabe - inhaltlich angebracht - die "Hebräische Melodie" von Josef Achron zu spielen, brachte eine recht radikale Wendung. Dieses emotionale Gebet voller Leidenschaft und Melancholie schickte das Publikum so mit einem Paket Seelennahrung nach Hause. Das dürfte für eine Weile reichen.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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