Gauting:Namen, die nicht vergessen werden

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Nach jüdischer Sitte legt Sabine Baumgartner einen Stein auf eines der Gräber in Gauting. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Schülerinnen und Schüler gedenken der jüdischen Opfer, die nach dem Todesmarsch in Gauting gestorben sind

Von blanche Mamer, Gauting

Sie heißen Heinrich Auerbach, Sarah Barenboim, Israel Frischmann, Janosz Goldstein, Josef Salamander - 171 Namen sind es insgesamt, die zwölf Schülerinnen und Schüler des Otto-von-Taube-Gymnasiums Gauting, des Kurt-Huber-Gymnasiums Gräfelfing und des Feodor-Lynen-Gymnasiums Planegg am Sonntag auf dem jüdischen Friedhof in Gauting vorlesen. Bei Schneetreiben und eiskaltem Wind lauschen etwa 50 Würmtaler den Worten der Schüler. Ein ähnliches Wetter wütete in den letzten April-Tagen 1945, als Tausende von KZ-Häftlingen vom Konzentrationslager Dachau und seinen Außenlagern Kaufering und Allach durch die Würmtal-Gemeinden in Richtung Alpen getrieben wurden.

"Jeder Mensch hat einen Namen", sagt Friedrich Schreiber, der Vorsitzende der Bürgerinitiative zur Erinnerung an den Todesmarsch von Dachau, der zusammen mit Sabine Baumgartner, Kirchenvorstand der Evangelischen Waldkirche Planegg das Totengedenken organisiert hat. Und gerade diese Namen dürfen nicht vergessen werden. Denn die Toten, die hier nach jüdischem Ritus bestattet wurden, haben Verschleppung aus ihrer Heimat, Zwangsarbeit, Konzentrationslager und den Todesmarsch überlebt. Von den insgesamt 23 000 Häftlingen war das nur etwa die Hälfte. Schwach, dem Hungertod nah und todkrank kamen viele von ihnen ins Hospital für "Displaced Persons" (DPs), das im ehemaligen Lazarett für Lungenkranke am Gautinger Ortsrand eingerichtet wurde, heute Standort der Asklepios Klinik. Als schon bald die ersten jüdischen Patienten starben, verlangte das jüdische Patientenkomitee eine richtige jüdische Beisetzung auf einem eigenen Begräbnisort, abseits des christlichen Friedhofs, berichtet Schreiber. Dafür gab die Gemeinde Gauting ein Gelände südlich vom Waldfriedhof frei. Bei der offiziellen Einweihung im Oktober 1947 wurde ein Denkmal für die sechs Millionen jüdischen Opfer des Nationalsozialismus enthüllt, "vermutlich das erste Holocaust-Denkmal auf deutschem Boden", wie Schreiber meint.

Viele der Namen auf den Grabsteinen sind unleserlich, verwittert nach 70 Jahren oder auch nur in Hebräisch geschrieben. Demnächst werden neben der Geschichte des Friedhofs auch alle Namen der jüdischen Verstorbenen auf einer Hinweistafel zu lesen sein. Denn der Friedhof soll der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, das Tor mit dem Davidstern wird dann genau so lange offen sein wie die Tore des christlichen Waldfriedhofs daneben.

Dann spricht Eliezer Pankiewicz aus Gilching, Sohn einer Überlebenden, den Kaddisch, das jüdische Totengebet. Und erzählt vom Schicksal seiner Familie in Polen, über das seine Mutter nie gesprochen hat. Mit Kriegsende war ihr schweres Schicksal noch nicht vorbei: Da sie in Polen nicht gut aufgenommen wurde, emigrierte sie nach Israel, illegal. Sie wurde von den Engländern festgenommen und auf Zypern interniert. Ein Jahr später durfte sie endlich nach Israel. Dort wurde Eliezer geboren, der 1985 mit seiner Frau nach Gilching auswanderte.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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