Gauting:Nah am Original

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Das Ensemble Berlin im Gautinger Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Sicher hat das Ensemble Berlin einen nicht unbedeutenden Beitrag dazu geleistet, dass die Fachwelt heute Bearbeitungen musikalischer Werke offener gegenübersteht als noch vor zwanzig Jahren. Damals hatte es geradezu als Sakrileg gegolten, eine Komposition mit einem anderen Instrument zu spielen, als es der Komponist einst vorgesehen hatte. Das Publikum freundete sich mit diesem Genre schnell an, wie das in alljährlich ausgebuchte Gautinger Konzert des Ensembles mit Solisten der Berliner Philharmoniker deutlich zeigt.

Ein so großes Aufgebot an Streichern und Bläsern - dieses Mal kam ein Nonett ins Bosco - findet nicht allzu viel Originalliteratur, insofern führte der überaus erfolgreiche Weg des Ensembles seit 1999 vor allem über diese sensible Randerscheinung im heutigen Konzertbetrieb. In Mozarts Zeit war es üblich, sogleich nach der Uraufführung Versionen für andere Besetzungen herzustellen, wie eben das Concertante nach seinem Klavierquintett mit Bläsern Es-Dur KV 452. Neben vielen anderen Bearbeitungen des Werkes ist die Fassung für je vier Streicher und Bläser ungesicherter Herkunft von der Qualität her herausragend. Obgleich mit einem mächtigen Volumen ausgestattet, verließ das Ensemble Berlin an keiner Stelle den feinsinnigen kammermusikalischen Zugriff. Und Mozart, der das bearbeitete Quintett für "das beste was ich noch in meinem leben geschrieben habe" hielt, stattete das Werk mit sehr sachte changierendem Kolorit aus, das mit Streichern anstelle des Klaviers einige Nuancen hinzugewann. Zumal gerade in den langsamen Teilen die instrumentalen Gruppen ihre Verflechtungen nahtlos ineinander fließen ließen. Aber auch die heiteren Rahmensätze blühten förmlich in zart-frischem Kolorit.

So nah am Original zu bleiben, war bei der Übertragung von Klavierwerken des Hausbearbeiters des Ensembles Berlin, Wolfgang Renz, nicht immer sinnvoll, geht es doch gerade in der Musik des 19. Jahrhunderts vor allem um die imaginativen Ausdruckswerte, die sich von Instrument zu Instrument anderer spieltechnischer Möglichkeiten bedienen. Im Rondo Capriccioso E-Dur op. 14, das sich mit jedem neuen Bild stärker verdichtet bis hin zu virtuos perlenden Läufen, kam daher an die Stelle der dichten Arpeggien-Textur in der Begleitung die plastische Klangsubstanz des Bläserquintetts mit Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott, die auch mehr Ruhe ins Geschehen brachte. Im kapriziösen Abschnitt fand man sich indes dem Elfenzauber des Sommernachtstraums näher.

Ähnlich klang es auch im spritzigen Capriccio der "Trois Fantaisies ou Caprices" op. 16, in denen Mendelssohn drei Töchter einer befreundeten Familie porträtierte. Die zwei anderen Mädchen, eine lyrisch verträumt, die andere melancholisch schwärmerisch, gaben dem Nonett die Möglichkeit, sachte zwischen dem kammermusikalischen und orchestralen Zugriff zu wechseln. Und diese Fähigkeit, zwischen den unterschiedlichen Auffassungen nahtlose Übergänge zu schaffen, ist sicher eine der herausragenden Qualitäten des Ensembles Berlin, vor allem in einem so großen Aufgebot, das auch im letzten Werk des Abends noch einmal mächtig für symphonische Klänge sorgte. Das originale Nonett a-Moll op. 77 des Franzosen George Onslow schöpft aus dem Vollen hinsichtlich der musikalischen Mittel. Es war entstanden in einer Zeit , als sich im Werk Onslows eine Wechselwirkung zwischen Symphonie und Kammermusik ergab. So ging das Konzert mit einem lustvoll interpretierten orchestralen Werk mit homogen eingebundenen kammermusikalischen Abschnitten fulminant und mitreißend zu Ende.

Lang anhaltender Applaus und eine Wiederholungszugabe.

© SZ vom 14.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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