Gauting:Mit einer Menge Fantasie

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Von "Schlaraffenland" bis "Zahnweh": der Gautinger Kammerchor und Pianistin Lauriane Follonier beim Auftritt in Schloss Fußberg. (Foto: Nila Thiel)

Kammerchor des Collegium Bratananium widmet dem Eremiten von Gauting eine Burleske

Von Reinhard Palmer, Gauting

Es war dem einstigen Schlossherrn gegenüber respektlos, das Schlosscafé Fußberg rauszuschmeißen und das reizvolle Schlösschen ganz einem Wirtschaftsunternehmen zu überlassen. Theodor von Hallberg-Broich (1768 bis 1862) war Profitmehrung und Geldgier zuwider. Der Eremit von Gauting, als der er in die Geschichte einging, hätte es niemals zugelassen, dass dem schnöden Mammon der Vorzug vor den Vergnügungen und dem Genuss gewährt würde. Der Kammerchor des Collegium Bratananium, der dem Eremiten von Gauting zum 250. Geburtstag im sogenannten Schwanthaler-Saal des Schlosses eine poetisch-musikalische Burleske widmete, weckte also einen Geist, der den Menschen bis heute einen Spiegel vorzuhalten imstande ist. Und das wurde in den Texten des Schriftstellers, die der ausgezeichnete Rezitator Tilmann Strasser eloquent und mit sicheren Pointen vortrug, mehr als deutlich, nahm er doch kein Blatt vor den Mund.

Nein, der Freiherr und Gründer der Kolonie Hallbergmoos war kein Eremit. Er war ein Gesellschaftsmensch, Lebenskünstler, Reiseabenteurer, Genießer, pfiffiges Schlitzohr, dem weiblichen Geschlecht bis ins hohe Alter zugetan, ein Querdenker und gewiss auch Provokateur. Und vieles mehr, was er selbst erfand. Wer soll schon wissen, was von seiner Biografie wahr ist, wenn er sich selbst Titel und Auszeichnungen andichtete und in Orden behangene Fantasieuniformen kleidete. Nichts schien ihm mehr Spaß gemacht zu haben, als sich immer wieder neu zu erfinden.

Der Eremit von Gauting lebte ein virtuoses Leben, in dem Wahrheit und Fiktion verschwammen. Für die Musiker ein willkommener Anlass, vor allem augenzwinkernde, fantasierende und legendenhafte Chorsätze und Klavierstücke aufzuführen. Die Reise ins 18./19. Jahrhundert gelang vor allem deshalb so gut, weil die Pianistin Lauriane Follonier einen echten Wiener Graf-Hammerflügel spielte und ihm schon mit der Fantasie von Carl Philipp Emanuel Bach oder im umharmonisierten Remix seiner Werke von Markus Schmitt höchste Expressivität und Virtuosität entlockte. Unter der Leitung von Thomas J. Mandl formte indes der Chor meist a cappella wechselhafte Atmosphäre. Sie zeichnete mal melodiös, etwa in Brahms' "Waldesnacht" oder im weiten Rückgriff zu Dowland mit "Come away", mal skandiert, so in Schumanns "Zahnweh" oder "Vom Schlaraffenland", vor allem ein Bild des 19. Jahrhunderts, das nichts mit biedermeierlicher Schwere zu tun hatte. Raritäten im Programm waren das humoristische Melodram "Antonius von Paduas Fischpredigt" von Mahler, aber auch Faurés in narrativen Bildern vital vorgetragene Heraufbeschwörung böser Geister "Les Djinns" nach Victor Hugo. Ein Programm, das dem Eremiten gewiss zugesagt hätte. Dem erlesenen Salon-Publikum gefiel's.

© SZ vom 02.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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