Gauting:Meister der Zweideutigkeit

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Impressionen vom kleinen Sommerfestival Gauting: die Pianistin Birgitta Eila und Florian Prey. (Foto: Arlet Ulfers)

Zwischen Witz und tiefem Ernst: Florian Prey und Birgitta Eila geben in Gauting die "Schöne Müllerin"

Von Reinhard Palmer, Gauting

Die Liedkonzerte beim Kleinen Sommerfestival in der Gautinger Remise des Schlosses Fußberg sind beliebt und in der Regel ausverkauft. Wie auch diesmal bei der Sonntagsmatinee. Das liegt vor allem daran, dass dabei in der Regel der künstlerischer Leiter Florian Prey und Wolfgang Leibnitz am Flügel die Protagonisten sind, die in der Region eine üppige Anhängerschaft haben. Die Tradition hat nun, da Leibnitz wegen Erkrankung kurzfristig absagen musste, leider keine Fortsetzung gefunden. Mit der deutsch-finnischen Pianistin Birgitta Eila als zweifelsohne würdiger Vertretung konnte Schuberts schöne Müllerin dennoch den Gesellen den Kopf verdrehen.

Nicht zum ersten Mal arbeitete Prey mit der Pianistin zusammen, sodass eine homogene Interpretation möglich war. Prey konnte - einfühlsam von Eila getragen - kräftig in den menschlichen Wirren der Romantik rühren, durchaus mit Humor, doch genauso mit tiefer Ernsthaftigkeit. Im Grunde ist dieses Changieren zwischen der Ironie der Lyrik und der bisweilen betrübten Auslegung Schuberts auch die vordringliche interpretatorische Aufgabe, die das Duo hier zu meistern hatte.

Prey ging dabei im Grunde den allerbesten Weg: Man konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, wann der Witz endete und die Ernsthaftigkeit begann. Dies meisterte der Interpret geschickt dadurch, dass er den klar und natürlich artikulierten Text möglichst fesselnd und emphatisch im Gesang darstellte, ohne der Versuchung zu unterliegen, den hintergründigen Sinn der Worte unbedingt an die Oberfläche holen zu wollen. Jede Bemühung, eine inhaltliche Konkretisierung vorzunehmen, zerstört den Reiz des Liederzyklus, ginge doch die kokettierende Zweideutigkeit wie auch das Spielerische in Schuberts Musik verloren. Und auch Birgitta Eila versuchte nicht, mit allzu viel Kopfarbeit tiefere Bedeutungen in ihren pianistischen Part hineinzulegen. Vielmehr ging es ihr vor allem darum, reichhaltig variierende Stimmungen zu erschaffen, in denen sich die Worte in ihrem poetischen Sinn entfalten konnten.

"Das Wandern" startete forsch beschwingt, "Wohin?" folgte vibrierend vor warmem Ton, "Danksagung an den Bach" sang in dichter Substanz, während "Am Feierabend" im strengen Galopp markante Konturen zog. Mal leicht und freudig erregt, mal schönfarbig wogend, mal in ernster Bewegtheit oder mit leidenschaftlichen Wogen aufwühlend: Eila lieferte mit pianistischer Gewandtheit und reicher spieltechnischer Differenzierung inspirierende Szenarien, in denen sich Prey spürbar wohl fühlte.

Eine deutliche Charakteristik seines Vortrags war zweifelsohne die Leichtigkeit und schlanke Substanz. Ein so melancholisches Wogen wie in "Des Müllers Blumen", wo es um Tränen und "Vergiss, vergiss mein nicht!" geht, muss schließlich im Sinne der Zweideutigkeit hier und da auch das Duftige der Blumen an sich haben. Andererseits muss auch "Der Jäger" straff dahingaloppieren können und nicht träge dahinstampfen. Das Duo Eila und Prey fand zielsicher den adäquaten Zugriff, wobei Prey gut daran tat, mit dunkler Substanz sparsam aufzuwarten. Einen schönen Effekt fand er in den Gegenüberstellungen von dramaturgisch gestalteter Erzählung und schwärmerischer Melodik. Und auch feinsinnige Lyrik in ausdrucksstarker Melancholie durfte nicht fehlen, etwa in "Die liebe Farbe", anschließend kontrastiert von forscher Dramatik in "Die böse Farbe", um einen hymnischen Höhepunkt in "Trockne Blumen" aufzubauen.

Eine wirkungsvolle Entwicklung, nach der die Wendung zum finalen Sinnieren in "Des Baches Wiegenlied" mit der alles relativierenden Hinwendung zum Ernsthaften ihre Wirkung nicht verfehlte. Lang anhaltende Ovationen und eine Zugabe - "An die Musik".

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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