Gauting:Mehr als kurz ausgeliehen

Lesezeit: 1 min

Von armin greune, Gauting

Die Geschichte, die der Angeklagte dem Gericht auftischt, erscheint für sich genommen schon wenig glaubwürdig. Er habe sich ein unversperrtes Mountainbike nur kurz ausgeliehen, um zum Zeitvertreib bis zur Abfahrt der S-Bahn damit eine Tour zu unternehmen: "So ein cooles Rad hab ich mir als Kind immer gewünscht". Gleich darauf habe er freilich "eingesehen, dass es falsch war", und das Rad zurück in den Ständer hinter dem Gautinger Bahnhof gestellt, behauptet der 20-jährige Starnberger. Dem steht freilich die Aussage des Geschädigten entgegen: Der 17-Jährige Gautinger hatte den Angeklagten einige Tage nach dem Diebstahl im Mai dieses Jahres gesehen, wie der "mit drei anderen Jungs auf meinem Rad in der Ammerseestraße unterwegs war". Bis die vom Bestohlenen verständigte Polizeistreife eintraf, war der 20-Jährige verschwunden. Doch der Fahrradbesitzer ließ nicht locker und recherchierte im Internet weiter, bis er den Angeklagten mit Bild auf "Facebook" fand. Ein paar Tage später habe er sein Velo dann am Bahnhof entdeckt: Es war mit einem anderen Schloss an ein zweites Rad gekettet. Weil er mit Rechnung und Rahmennummer sein Eigentum nachwies, konnte die Polizei ihm das Bike wieder überreichen, es war unbeschädigt geblieben.

Bereits beim Verhör habe man dem Angeklagten vorgehalten, dass seine Version recht unwahrscheinlich klingt, sagt der Polizeibeamte aus, der den Fall bearbeitet hatte. Denn das hätte vorausgesetzt, dass erst ein Täter das Nummernschloss des am Vorderrad angeketteten Gefährts geknackt habe - dann aber das Diebesgut wieder zurückstellte. Und nachdem der 20-Jährige seine kurze Spritztour unternommen hatte, müsste ein Dritter das Rad an sich genommen haben, der es dann am Bahnhof mit einem neuen Schloss ankettete.

Auch Jugendrichter Ralf Jehle fand die Konstruktion wenig plausibel. Er verurteilte den 20-Jährigen wegen Diebstahls nach Jugendrecht zu einer Geldauflage: Der bereits einmal einschlägig vorbestrafte Angeklagte muss 300 Euro an eine Hilfsorganisation für straffällig gewordene Jugendliche überweisen. Der Wert des entwendeten Rads: 400 Euro.

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: