Kultur in Gauting:Leise Töne, großer Eindruck

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Paloma Kouider und Raphaël Perraud (rechts) interpretieren mit Patrick Messina auch Werke von Brahms. (Foto: Thiel)

Das Trio Messina spielt im Bosco Französisches

Von Reinhard Palmer, Gauting

Das Bosco-Publikum hat in den vergangenen Jahren an Hör-Reife deutlich zugelegt. Qualitäten zu erkennen, ohne vordergründige, ausladende Gesten oder packendes Kraftspiel, das erfordert schon ein großes Gespür für feinsinnige Empfindungen und einen Sensor für seelentiefe Emotionen. Das Trio Patrick Messina (Klarinette), Raphaël Perraud (Violoncello) und Paloma Kouider (Klavier) brachte nicht nur ein weitgehend französisches Repertoire mit, sondern interpretierte auch in der feinsten französischen Art, die von einer besonders empfindsamen und intimen Charakteristik geprägt ist. Dass sich Brahms im Programm fand, war kein Zufall. Wohl auch nicht, dass er der Chronologie entgegen erst am Schluss zu Wort kam. Seinem Klarinettentrio a-Moll op. 114 ist das Fehlen der dunklen, romantischen Klangballung und des Kontrastprogramms zwischen Lyrik und Dramatik geradezu werkimmanent. Jene Elemente eben, über die sich die französischen Komponisten hinwegzusetzen bemühten, um der deutsch-österreichischen Dominanz in der Musik bis weit ins 19. Jahrhundert hinein einen eigenen, gänzlich französischen Stil entgegenzusetzen. Eine so sensible Interpretationsweise, wie sie das Trio zwischen unzähligen Nuancen changierend pflegte, machte Brahms nach den Werken von Fauré, Poulenc und Debussy geradezu zu einem Seelenverwandten. Brahms' dahinfließend-sinnierender Duktus hatte durchaus Gemeinsamkeiten mit dem 30 Jahre später entstandenen Trio d-Moll op. 120 von Fauré, was auch damit zusammenhing, dass sich der französische Pionier der nationalen Schule in die Schlichtheit früherer Epochen zurückzog. In eine Klarheit der Stimmführung, wie sie Brahms eben in seinen späten Werken offenbarte.

Spieltechnisch und interpretatorisch gesehen war das Thema des Konzerts in erster Linie die schlüssige plastische Modellierung, die reichhaltige klangliche Verschmelzung der Instrumente sowie das sensible Nachspüren der werkimmanenten Empfindungen. Gerade im Letzteren bewiesen die drei Musiker ein außergewöhnliches Vermögen, die Gefühlswelt des jeweiligen Komponisten zu ergründen. Und es waren vor allem die leisen Töne, die den größten Eindruck hinterließen. Nicht nur in den langsamen Sätzen, denn die französischen Komponisten typisierten freier.

In den beiden Duo-Sonaten trat Leidenschaft und Poesie deutlicher in den Vordergrund. In der Klarinettensonate von Poulenc, dem musikalischen Angedenken an den Komponistenfreund Arthur Honegger, kam die getrübte Stimmung hinzu, die das Duo schon im Kopfsatz mit innigen Empfindungen verband, vor allem aber in der Romanza mit gedankennachhängender Melancholie anfüllte. Ähnlich in der Violoncellosonate d-Moll von Debussy aus dessen Spätphase, in der sich die früheren sphärischen Impressionen zu klarer Rhetorik verfestigten. Kouider und Perraud nutzten indes ihre improvisatorisch umherschweifenden Stimmen für eine fesselnde Erzählung. Noch mehr in den beiden nachfolgenden Sätzen, wo es wohl um szenische Bezüge zur italienischen Commedia dell'Arte ging und possenhafte Elemente eine gewisse Kuriosität entwickelten. Allerdings bei weitem nicht in der schalkhaften Art der Bläserwerke Poulencs, die weit später entstanden. In dessen interpretierten Klarinettensonate kam sie allerdings erst im Schlusssatz zum Einsatz. Und das Spitzfindige Duo Kouider und Messina formten ihn zu einer Groteske von einer überaus kultivierten Art, doch mit einem nicht minder pfiffigen Humor. Lang anhaltender, frenetischer Schlussapplaus und Zugaben von Mendelssohn.

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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