Gauting:Jenseits der Komfortzone

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Im März veröffentlicht der Schriftsteller und Lektor Fridolin Schley eine Novelle, dann will er einen Roman schreiben. (Foto: Juliane Brückner)

Der Autor Fridolin Schley berichtet bei "Tee mit Sabine" über seine Emanzipation vom Würmtal

Von Blanche Mamer, Gauting

Einmal nur rückt er seine neue Gregory-Peck-Brille zurecht und antwortet dann ganz entspannt auf die Fragen von Sabine Zaplin. Ja, zum "Tee bei Sabine" hat er eine Tasse mitgebracht, eine grün geblümte Kaffeetasse, die aus einem alten englischen Service seiner Mutter stammt und ihn bei seinen zahlreichen Umzügen begleitet hat. Er sei ein Koffein-Junkie und ohne Kaffee ungenießbar, darum bringe seine Freundin ihm öfters den Kaffee ans Bett.

Nicht alles, was der Autor und Lektor Fridolin Schley beim lockeren Talk im Bosco erzählt, ist neu, aber schön anzuhören. Viele Gautinger kennen ihn von früher, ein paar seiner alten Freunde sind da. 39 Jahre ist er jetzt alt, lebt und schreibt wieder in München, nach einer Zeit in Berlin, Paris, London und New York ist er jetzt wieder zurück in der Heimat, "in der zweitgrößten Verlagsstadt der Welt", wie Zaplin feststellt. Und ab und an kommt er in seinen Heimatort Gauting, wo seine beiden ersten Bücher spielen. 2001, da war er gerade 25, ist sein hochgelobtes Roman-Debüt "Verloren, mein Vater" im C. H. Beck Verlag erschienen, 2003 folgt der Erzählband "Schwimmbadsommer".

Er hat eine behütete Jugend im Gautinger Ortsteil Königswiesen, viel Wald rundum, "nichts los, nicht mal einen Kaugummi-Automaten gibt es", erzählt Schley den mehr als 30 Zuhörern in der Bar Rosso. "Es gibt sicher spannendere Orte für Jugendliche", findet er. Das Elternhaus ist gut bürgerlich, der Vater Germanist, dreht Dokumentarfilme, die Mutter Anglistin, unterrichtet Englisch und Französisch am Gautinger Gymnasium - klar, dass er mit Büchern aufwächst und erste Schreibversuche in der Schülerzeitung veröffentlicht werden. "Ein ziemlich wüster Text, doch ich hänge dran", und bei den Mädchen habe er damit gepunktet. Das klingt leicht ironisch. Seine "typisch Gautinger Jugend" fasst er so zusammen: "Ich bin viel geradelt, hab Tennis gespielt, war im Sommer mit Freunden im Schwimmbad und obwohl evangelisch war ich in der katholischen Jugend aktiv." Er hat immer schon gern Geschichten erzählt, möglichst gruselige, schließlich hat er viel Stephen King gelesen. Nach dem Abi 1996 studiert er in München an der Hochschule für Fernsehen und Film, ist aber nicht so richtig glücklich. Er wechselt zur LMU, studiert Germanistik, Philosophie und Politik. Da bringt ihm sein Freund Florenz Sauerbruch einen Flyer vom Literaturhaus mit über ein Seminar in kreativem Schreiben. Ein einschneidender Moment.

Tilman Spengler leitet den Kurs, erkennt das Talent, Rebekka Göpfert, Programmleiterin bei Beck, muss nur noch zugreifen, als das Manuskript fertig ist. In der Story in Ich-Form geht es um den Vater, der plötzlich verschwindet und die Rest-Familie in eine tiefe Krise stürzt; sie ist geschickt aufgebaut, gut beobachtet, klug erzählt. Es regnet Auszeichnungen. Der junge Autor spürt irgendwann, dass er aus dem wohltemperierten München weg muss. Er geht nach Berlin, macht Magister, volontiert bei einem Verlag. Die Promotion über W.G. Sebald schreibt er in New York, veröffentlicht Erzählungen.

Zurück in München arbeitet er auch als Lektor. Seither gebe er sauberer gearbeitete Texte ab, sagt er und lacht. Zuletzt erschienen ist im November die von ihm herausgegebene hochaktuelle Sammlung "Fremd", eine Auseinandersetzung verschiedener Autoren, Journalisten und Filmemacher zum Thema Fremdheit. Davor hat Schley kurz zu seiner alten Liebe, dem Film, zurückgefunden, allerdings den Super 8-Familienfilmen, "das Format meiner Generation, teuer, langwierig, mühsam". Für den Foto-Essay-Band "Die achte Welt" hat er eigene Filmkästen und die seiner Freunde vom Staub befreit.

Ende März soll eine Novelle über eine 20-jährige Flüchtlingsfrau aus Somalia erscheinen. Ein wenig unruhig wird er, sobald es um seinen zweiten Roman geht. Der spielt in Polen, von wo die Familie vor 70 Jahren fliehen musste, worüber aber nie geredet wurde. Er habe viel recherchiert, der Plot stehe, doch er müsse Romanschreiben erst wieder lernen.

© SZ vom 01.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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