Gauting:Jeder gewinnt

Lesezeit: 2 min

In Gauting startet das Projekt "Wohnen für Hilfe". Ältere Menschen stellen jungen Leuten Räume zur Verfügung, dafür erhalten sie Unterstützung in in Haus und Garten

Von Isabella Bauer, Gauting

Das Konzept "Wohnen für Hilfe" kommt in den Landkreis Starnberg: In der Gemeinde Gauting startet das Projekt mit Unterstützung der Beratungsstelle "Gautinger Insel". Wohnen für Hilfe bringt Menschen zusammen, die sich gegenseitig assistieren können: Auf der einen Seite Senioren, deren Häuser und Wohnungen mit vier oder fünf Zimmern nach dem Auszug der Kinder zu groß für sie geworden sind. Auf der anderen Seite Menschen in der Ausbildung, Studenten, Alleinerziehende oder anerkannte Asylbewerber, die von einem kleinen Gehalt leben und bezahlbaren Wohnraum suchen.

Die Rentner bieten ihre Räumlichkeiten an, der Mitbewohner zahlt keine Miete in Form von Geld; stattdessen leistet er pro genutztem Quadratmeter eine Stunde Mithilfe. Hilfsdienste können Haus- oder Gartenarbeit sein, ein Supermarkteinkauf oder ein gemeinsamer Spaziergang. Pflege ist explizit ausgeschlossen. Kosten fallen lediglich in Form einer Nebenkostenpauschale an. Deren Höhe wird individuell festgelegt. Die Rahmenbedingungen des Zusammenlebens werden in einer schriftlichen Vereinbarung fixiert. In München und anderen Landkreisen ist "Wohnen für Hilfe" seit beinahe 20 Jahren erfolgreich etabliert.

Eine Kooperation des Landratsamtes Starnberg, des Gautinger Seniorenbeirats und der Gautinger Insel bringt das Vorhaben jetzt in die Gemeinde. Der Plan dazu entstand folgendermaßen: Thomas Schwab von der Fachstelle für Senioren im Landratsamt hat seit 2008 ein seniorenpolitisches Gesamtkonzept entwickelt. Es berücksichtigt alle Lebensbereiche älterer Menschen, darunter "Wohnen im Alter". Umfragen ergaben: 98 Prozent der Rentner im Landkreis leben in ihren eigenen vier Wänden. Schwab:"Die Mehrheit der Befragten möchte auch zu Hause alt werden und sterben." Diesem Wunsch stehen Hürden im Weg: Die Bewältigung des Haushalts oder die Instandhaltung des Gartens gestalten sich zunehmend schwieriger. Schwab diskutierte das Problem mit Ulla Ottmar, der Vorsitzenden des Gautinger Seniorenbeirats. Ottmar erinnerte sich an Christel Dill, Vorstandsfrau des Seniorentreffs Neuhausen in München. Seit knapp 20 Jahren organisiert Dill den Treff "Wohnen für Hilfe" in der Landeshauptstadt. Dill stellte ihre Arbeit in Gauting vor, schnell bestand Einigkeit über den positiven Nutzen: Das Projekt sollte übernommen werden.

Gesagt, getan: Die Insel-Sozialpädagoginnen Inga Schauder und Martina Ottmar folgen in großen Teilen dem Münchner Konzept. Dill ist seit zwei Jahrzehnten auch deshalb erfolgreich, weil ihr Verein viel Sorgfalt und Zeit in die sogenannte Verknüpfung zwischen Senioren und jungen Menschen legt. Im Würmtal müssen nun beide Parteien einen Fragebogen ausfüllen: Welchen neuen Mitbewohner kann man sich gut vorstellen? Was ist ein Ausschlusskriterium? Der ältere Mensch hat die Wahl aus mehreren Bewerbern, zwei Wochen wird dann zur Probe gewohnt. Ist die Verknüpfung gelungen, sind Hausbesuche geplant, es soll Sprechstunden geben, und die Insel ist telefonisch immer erreichbar. Missverständnisse sollen damit vermieden werden.

In München entstehen hauptsächlich Wohngemeinschaften mit Studenten, auch in Gauting wird es eine Kooperation mit dem Studentenwerk geben. Darüber hinaus wird das Modell auf andere potenzielle Mitbewohner ausgedehnt. Vor allem anerkannte Asylbewerber werden in den nächsten Jahren auf Wohnungssuche sein. Schauder sieht darin eine Chance: "Viele junge Menschen aus anderen Ländern bringen eine riesige Hilfsbereitschaft mit."

Auch Auszubildende oder alleinstehende Mütter mit Kind gehören zur Gautinger Zielgruppe. Senioren haben gerade bei Kindern häufig eine höhere Hemmschwelle - der Lärm und Trubel. Die Seniorenbeiratsvorsitzende appelliert an die Offenheit der Gemeinde:" Ich würde mir solche Partnerschaften wünschen." Zur Auftaktveranstaltung von "Wohnen für Hilfe" kamen mehr als 20 Interessierte aus der Generation 60 plus. Nur die junge Leute blieben noch aus.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: