Gauting:Fräulein Elses Zauber

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Kopftheater: Julia Stemberger und Helmut Jasbar bei der Lesung im Gautinger Bosco. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Schnitzler-Lesung mit Julia Stemberger im Bosco

Von Florine Pfleger, Gauting

Die Lichter der Deckenstrahler durchdringen Julia Stemberger schier, sodass ihre Haut weißlich zurückleuchtet, während Gitarrist Helmut Jasbar fast im Dunkeln kauert - ein Vorzeichen, wem die Bühne heute Abend gehören wird.

Etwa 100 Zuhörer haben ihren Weg ins Bosco gefunden. Stemberger, die im deutschen Fernsehen aus Serien wie "Rosamunde Pilcher" und "Traumschiff" bekannt ist und in der zweiten Staffel der "Vorstadtweiber" brillierte, trägt das kleine Schwarze, schulterfrei. Sonst erinnert sie an Schneewittchen, mit den roten Lippen und dem Deckenstrahler-Hautton. Die Figur, um die es ihr heute geht, ist eine andere, eine, die ihr aber ebenfalls ähnlich sehen könnte und die Arthur Schnitzler in seiner Monolog-Novelle "Fräulein Else" schon in den Titel gehoben hat. Der Text ist ein wichtiges Stück der Wiener Moderne, das den inneren Monolog einer resignierten, jungen Frau wiedergibt, die in einem Konflikt zwischen väterlicher Liebe und emanzipatorischem Selbstwertgefühl pendelt.

Sie ist im höchsten Maße zerstreut, so unsicher, überheblich, reserviert, freizügig, lebensfroh, träge, aufgeweckt und alles zugleich, dass man selbst ganz wirr wird im Kopf. Und Stemberger liest sie so, als würde sie auf der Bühne stehen, ihre Mimik und Gestik, stimmliche Höhe und Tiefe sind ganz im Einklang mit der Szenerie und Elses Gefühlswelt. Eigentlich wirkt es fast so, als würde Else all ihre Gedanken einem Publikum vorlesen.

Natürlich übernimmt Stemberger auch die Rollen der Nebenfiguren, trotzdem wirken diese Stimmen eher gut imitiert, während Else greifbar und real vor einem zu sitzen scheint. Man kann die Magie in der Magengrube spüren, auch weil das Publikum mucksmäuschenstill ist. "Denn es geht ein Zauber von Ihnen aus, Else, den Sie selbst wohl nicht ahnen". So spricht der reiche Kunsthändler Dorsday, Stemberger gibt ihm eine wulstige Stimme, und wohl keiner der Zuhörer will dem widersprechen. Iin den Zwischenspielen des Gitarristen Jasbar, der aus Schnitzlers Heimatstadt Wien kommt, erstarrt Stemberger und fällt meistens nicht aus der Rolle. Außer in ungeschickten Momenten, in denen die leicht erkältete Schauspielerin das Gitarrensolo mit Schneuzeinlagen anreichert. Das sind aber rare Augenblicke, die das Grelle dieser Lesung sympathisch abdämpfen.

© SZ vom 27.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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