Gauting:Fest der Klangfarben

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Packende Interpretationen: Emmanuel Pahud (li.) und Gilbert Audin vom Ensemble Les Vents Français. (Foto: Nila Thiel)

Das Gastspiel des Ensembles Les Vents Français im Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Das 19. Jahrhundert stellte die französischen Komponisten vor eine harte Bewährungsprobe. Dass sie diese mit Bravour bestanden, war leider erst nachträglich im 20. Jahrhundert im ganzen Ausmaß zu erfassen. Eine Erkenntnis, die bis heute noch nicht im Konzertsaal angekommen ist. Das aus international renommierten Solisten bestehende Ensemble Les Vents Français mit seinem Stammpianisten Eric le Sage konnte im ausverkauften Gautinger Bosco freilich nur einen kleinen Einblick in das ausladende Kapitel der europäischen Musikgeschichte bieten, das weiterhin im Schatten der deutsch-österreichischen Musikentwicklung der Würdigung harrt.

Es war vor allem Wagner, der die musikalischen Gemüter Frankreichs spaltete. Ganz gleich, ob ein Komponist Wagnerianer oder Antiwagnerianer war: Er musste sich Wagner gegenüber auf alle Fälle positionieren. Das galt auch für die Komponistin Louise Farrenc. Die selbstbewusste Kämpferin schaffte es bis zu einer Klavierprofessur am Konservatorium und bis zu nationaler Wertschätzung als Komponistin, zumindest zeitlebens. Es ist gerade erst gut 20 Jahre her, dass die Musikwelt sie staunend wiederentdeckte. Als Schülerin des Böhmen Anton Reicha, eines Meisters des Holzbläserquintetts, war ihr die Gattung vertraut, zumal sie auch die Komponisten der Wiener Klassik sorgfältig studiert hatte. Emmanuel Pahud (Flöte), François Leleux (Oboe), Paul Meyer (Klarinette), Gilbert Audin (Fagott), Radovan Vlatković (Horn) und Eric le Sage (Klavier) vermochten in Farrencs Sextett c-Moll op. 40 das Bekenntnis der Komponistin zur Klarheit insbesondere Beethovens offenzulegen, gleichzeitig aber auch die variierende Ideenentwicklung und schillernde Farbigkeit zu zelebrieren. Ein Ansatz, der bis zu Poulencs Sextett von 1932 (revidiert 1939) viel Raum bekommen sollte, sich als ein französisches Charakteristikum zu beweisen.

Der innere Konflikt ist ja nicht nur durch Wagner begründet. Der Kampf war komplexer - etwa zwischen den Akademikern und den Freien, den Anhängern von Debussy und denen von d'Indy bis hin zur klaren Ablehnung des diffusen Impressionismus der Group des Six. André Caplet gehörte im Programm als Einziger zu Debussys Bewunderern, auch wenn Les Vents Français sein mit 19 Jahren komponiertes Quintett - das Horn passte wohl nicht in sein atmosphärisches Konzept - doch klar in der französischen Tradition verankert interpretierten. Im Grunde gelang es dem Komponisten nur in den zwei letzten Sätzen, mit harmonischem Reichtum flirrende Atmosphäre zu erschaffen, ohne auf das Kolorit seiner Vorgänger zu verzichten. Etwa eines George Onslow, der ebenfalls Schüler Reichas gewesen war. Er hatte gegenüber Farrenc einen kraftvolleren Ansatz gewählt, der weniger die geschmeidige Homogenität der Wiener Klassiker im Ensemble suchte als die Vielfalt im Kolorit.

Einen ganz anderen Zugriff fand das packend interpretierende und sehr bühnenpräsente Ensemble in der Caprice über dänische und russische Volksthemen für Flöte, Oboe, Klarinette und Klavier op. 79, die Saint-Saëns auf der Reise zum russische Zaren und dessen dänischer Gemahlin schuf. Die Musiker brachten das Variationswerk mit Spielfreude und Detaillust zum Sprühen. So entstand eine rhapsodische Vielfalt, die schon auf Poulenc verwies. Die Gavotte aus dem Sextett von Ludwig Thuille in der Zugabe brachte noch eine Verbindung zu München, wo der Bozener Komponist Hochschulprofessor wurde und mit 45 Jahren starb.

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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