Gauting:Einer, der nichts mehr beweisen muss

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Latzhose und T-Shirt, das ist Maler Stefan Britt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der 88-jährige Maler Stefan Britt, überzeugter Sozialist, erzählt im Gautinger Bosco aus seinem Leben

Von Blanche Mamer, Gauting

Die Latzhose ist sein Markenzeichen. Egal, wo man dem 88-jährigen Maler Stefan Britt über den Weg läuft, er trägt immer eine Arbeitshose und ein T-Shirt. Beim "Tee bei Sabine" im Bosco ist das T-Shirt pflaumenfarben, die Latzhose senfbeige, statt Tee nimmt Britt ein Bier. Genügsam und asketisch sieht er aus, und auch wenn er nicht mehr ganz so schnell reagiert wie früher, schlagfertig ist er immer noch. Auch ironisch. Und immer noch überzeugter Sozialist, sagt er.

Er stammt aus dem Salzburgischen. Weil der Vater dringend Arbeit brauchte, zog die Familie 1932 nach Gauting, "gerade noch zur Einschulung". 1933 wechselten sie in eine neue Häusersiedlung in der Nähe des Gautinger Freibades. Die Eltern hatten an einem Wettbewerb teilgenommen und konnten durch die Siegerprämie die Anzahlung für das sozial geförderte Arbeiterhaus leisten. "Das hat g'rad so gereicht. Sie haben danach noch viele Jahre abbezahlt", sagt der Sohn, der wie die Eltern später "dies und das" machen musste, um über die Runden zu kommen und künstlerisch zu arbeiten. Britt lebt immer noch in der Magdalenenstraße.

1942, mit 16 Jahren, wurde er in die Wehrmacht eingezogen. Er kam in russische Kriegsgefangenschaft. "Niemand hat mich gequält, ich habe keinen getroffen, der schikaniert oder geschlagen worden wäre. Zu essen hatten wir das gleiche wie die sowjetischen Wachen. Ich kann mich nicht beklagen", sagt er. Er bleibt auch dabei, als ein paar Zuhörerinnen von Vätern, Onkeln, Brüdern berichten, die in der Gefangenschaft Übles erlebt haben. "Ich bin offen für andere Meinungen", sagt er und zieht die Augenbrauen hoch. Von der Atombombe auf Hiroshima hat er im Lager gehört, und dann sofort jede Idee an ein Physikstudium verworfen.

Nach drei Jahren kam er heim, da hieß es ganz andere Fragen zu lösen. "Es ging darum zu überleben, zu arbeiten." Arbeit fand er genug. Und ein wenig wegwerfend meint er: "Ich war nicht hypnotisiert durch ein bestimmtes Ziel. Ich habe alles gemacht, was kam." Da war zum Beispiel ein Wandertheater in der Schweiz, für das er große Werbeplakate malte und dies und das erledigte. "Das Rumzigeunern, das war genau richtig für mich", erzählt er. Inzwischen war er zum überzeugten Sozialisten geworden.

Einmal, als ein Tänzer gebraucht wurde, nahm er halt Ballettunterricht bei "einer sehr alten, sehr netten Tanzlehrerin". Wenn es darum ging, etwas Neues auszuprobieren, war er dabei. So hat er angefangen zu malen, hat kurz an der Kunstakademie in Salzburg studiert, in einem Künstlerdorf gelebt. Dort lernte er "bei einer Abendgesellschaft" seine spätere Frau kennen, die Kanadierin Carol Irmhof. "Ich konnte etwas englisch und habe mit ihr gesprochen, doch sie hat mich missverstanden. Sie dachte, ich biete ihr meinen Stuhl an. Ja, sie war großartig", berichtet er ein wenig spröde. Sie heirateten, seine Frau arbeitete als Lehrerin, sie bekamen zwei Kinder, haben später gemeinsam ausgestellt.

Er hatte ein kleines Atelier in einem Kiosk an der Starnberger Straße, stellte seine Bilder dort aus, diskutierte mit anderen Künstlern und den Gautingern, die vorbeischauten und wissen wollten, was seine chagallschen Figuren in den großformatigen Bildern bedeuteten. "Ich habe deine Bilder oft nicht verstanden. Sie haben mich immer angezogen, waren irgendwie spirituell und auch mystisch", sagt eine Zuhörerin. Doch auf die Erklärung seiner Bilder lässt er sich nicht ein. Ob sie politisch wirkten? Ja, es gab einige Kollegen, die das nicht mochten. Namen? Von ihm nicht.

1972 war die Geburtsstunde des Kunstvereins Gauting, zu dem Stefan Britt den Anstoß gegeben hat und erster Vorsitzender wurde. "Das war ein Sammelsurium von Leuten, die die Idee hatten, sie hätten etwas mit Kunst zu tun", beschreibt sie Britt. Bei den Vernissagen wurde oft heftig gestritten. "Wenn ihr das braucht, dass es hin und wieder Krach gibt, dann ladet mich ein." Er engagierte sich für die SPD - "damals gab es nichts linkeres" -, klebte Plakate mit der Schauspielerin Ursula Erber, die ebenfalls im Ortsverein engagiert war. Nach 1990 wandte er sich der PDS zu, half bei der Gründung der "Linken" in Starnberg. Warum gibt es nichts über ihn im Internet. "Warum soll ich? Ist das von irgendeinem Nutzen?" Er malt auch nicht mehr so viel. "Was soll ich noch beweisen müssen?"

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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