In so einem 500-Seiten-Wälzer spiegelt sich viel wieder, was in einer Gemeinde so passiert: Kindergärten, Schulen und Jugendzentrum, Kultursaal und Schwimmbad, Straßenbau und Feuerwehren. Zu allem gibt es eine Haushaltsstelle und eine Summe; laufende Ausgaben und Investitionen sind vorgemerkt. "Alles ist Zahl", sagt dazu die neue Gautinger Kämmerin Heike Seyberth und beschreibt mit diesem dem antiken griechischen Philosophen und Mathematiker Pythagoras zugeschriebenen Satz ein Faible. Sie mag Zahlen. Bei der 54-jährigen Diplom-Verwaltungswirtin decken sich offenbar Beruf und Berufung.
Das zeigt schon ihr beruflicher Werdegang, der sie immer wieder in die Finanzabteilung von Städten und Gemeinden geführt hat. Kurz nach der Ausbildung hat sie als Kämmerin in einer kleinen Gemeinde im Schwarzwald angefangen, später war sie Sachbearbeiterin in der Stadtkämmerei in Mainz. Nach dem Umzug nach Bayern und einer mehrjährigen Pause, in der sie ihre beiden Töchter großgezogen hat, war sie fast zwölf Jahre lang für die Finanzen in der Verwaltungsgemeinschaft Grafrath zuständig, zu der auch die Gemeinden Schöngeising und Kottgeisering gehören. Die Konstellation, für drei Rathäuser zu arbeiten, war nicht immer einfach, darum wollte Seyberth gerne wieder in einer Gemeinde arbeiten und hat sich daher über die Stellenausschreibung in Gauting gefreut. Im November hatte sie ihr Vorstellungsgespräch, am diesem Donnerstag hat sie an ihrem vierten Arbeitstag als Mitarbeiterin der Rathausverwaltung den erst am Dienstag beschlossenen Haushalt ins Starnberger Landratsamt gebracht. So schnell kann es gehen.
Die Arbeit am Haushalt für dieses Jahr konnte sie allerdings nur noch in den letzten Zügen mitverfolgen, als im Finanzausschuss über Stunden um einzelne Posten gerungen wurde. Als der Gemeinderat am Dienstag das Zahlenwerk gebilligt hat, saß Heike Seyberth zum ersten Mal neben Bürgermeisterin Brigitte Kössinger am Kopfende des Ratstischs. "Sie ist ins kalte Wasser gesprungen und gleich kräftig mitgeschwommen", sagte die Rathauschefin anerkennend über ihre neue Mitarbeiterin.
Der Personalwechsel ist nicht ganz reibungslos über die Bühne gegangen. Ausgerechnet in einer finanziell schwierigen Situation hat der vorherige Kämmerer Hans Jürgen-Paul gekündigt, um eine neue Aufgabe bei einem Zweckverband in München zu übernehmen. Zuvor hatte er sich sieben Jahre lang um die Gautinger Finanzen gekümmert und auch den Entwurf für den aktuellen Haushalt zusammengestellt. Für seine Kollegen, die die Arbeit dann fortsetzen mussten, war es eine zum Teil schwierige Hinterlassenschaft. "Es war nicht immer leicht, seinen Gedankengängen zu folgen", erklärte Hauptamtsleiter Gernot Struwe in den Haushaltsberatungen.
Finanziell schwierig ist die Situation in Gauting vor allem aus zwei Gründen: Die Ausgaben für die Kindergärten steigen wegen des gesetzlich zugesicherten Anspruchs auf einen Betreuungsplatz seit Jahren. Dazu kommt heuer eine hohe Umlage an den Landkreis in Folge der Belastungen durch die Flüchtlingskrise. Heike Seyberth kennt die Problematik. "Das geht vielen Gemeinden so", sagte sie. Als Hauptaufgabe sieht sie, den Gautinger Haushalt so weit zu konsolidieren, dass die Gemeinde nicht nur ihre Pflichtaufgaben erledigen kann, sondern auch den finanziellen Spielraum behält, um freiwillige Leistungen bezahlen zu können, die für das soziale Leben wo wichtig sind. Denn auch hier konnte man sagen: "Alles ist Zahl".
Und wenn Heike Seyberth die Zahlen dann doch einmal zu viel werden, geht sie gerne in ihren Garten in Puch. "Meditatives Unkraut zupfen ist das beste Mittel, um zu entspannen", hat sie festgestellt.