Gauting:Die kollektive Landschaft

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Schüler des Gymnasiums arbeiten in einer Kunstaktion an einem Teppich aus Stoff, Stickereien, Filz und Mini-Figuren, den mexikanischen Künstler vorbereitet haben. Nächste Station ist Holland

Von Blanche Mamer, Gauting

"Wir wollen das Bild einer Landschaft, in dem auch das Entstehen und das Wachsen ausgedrückt wird", sagt die mexikanische Künstlerin Ruth Voulbamina beim Workshop mit Schülern der Q11 und Q12 des Otto-von-Taube-Gymnasiums in Gauting. Und wie könnte das besser gelingen als mit einem dreidimensionalen Textilkunstwerk, an dem ständig gearbeitet wird, das immer weiter wächst und dem Künstler wie dem Betrachter, immer wieder neue Aspekte eröffnet? Der Workshop unter dem Motto Begegnung der Kulturen wird auch vom Bildhauer und Keramikkünstler Rodrigo Colin Vicencio und dem Gautinger Illustrator Bernd Wiedemann begleitet. Er ist Teil einer großen interkulturellen Kunstaktion des Gautinger Kunstvereins.

Neben der Ausstellung "Atlachinolli", die noch bis zum 2. Januar im Gautinger Rathaus zu sehen ist, war es Ziel der Organisatoren Bernd Wiedemann und Miriam Schäfer, mit der mexikanischen Kulturgeschichte und der Mentalität der Menschen bekannt zu machen und die Gautinger daran teilhaben zu lassen - durch Koch- und Tanzkurse, Filme, Maskenbau und Keramik-Workshops. Oder eben einen Workshop wie im Gymnasium. "Wir waren gleich bei der Vorstellung des interkulturellen Ziels begeistert", sagen die Kunstlehrerinnen Swantje Meingut und Bärbel Lutz-Sterzenbach.

Ein Textilkunstwerk, das immer weiter wächst: Stephanie Benischke und Marie Louise Holländer bei der Arbeit an der Stoff-Landschaft. (Foto: Nila Thiel)

Den ersten Teil dieses Teppichs aus Stoff, Wolle, Filz, Stickereien, Webstreifen, Gestricktem, Mini-Figuren und kleinen Tongebilden haben Ruth Voulbamina und Rodrigo Colin Vicencio aus Mexiko mitgebracht. Ein weiterer Teil wird von etwa 20 Schülern gestaltet, die Kunst als Hauptfach fürs Abitur gewählt haben. Sie haben sichtlich Spaß an dem Objekt und entwickeln dabei erstaunliche Kreativität. Sie benutzen ungewohntes Material und üben Handarbeitstechniken, die seit der Grundschule verschüttet waren.

Julius Schmeil zum Beispiel hat aus einem strohgelben Tischset ein Feld mit großen runden Strohballen konstruiert und schneidet jetzt feuerrote Stoffschnipsel aus, um ein kleines Lagerfeuer aufzubauen. Das sind für ihn Elemente, die in einer bayerischen Landschaft nicht fehlen dürfen. Josefin El-Mahdy und Stephanie Benischke sticken derweil Mini-Kohlköpfe auf ein grünes Stück Stoff und lassen aus Mohairgarnen einen See entstehen und ein Bächlein zufließen. Und beraten darüber, wie man am besten das Feld aus braunem Samt mit einem gestrickten Acker verbindet.

"Es geht nicht um das geniale fertige Werk eines Einzelnen": Gymnasiastin Nora Loukili beim Töpfern. (Foto: Nila Thiel)

Etwa 150 Menschen haben sich bis jetzt an der etwa acht Quadratmeter großen Mini-Landschaft beteiligt, berichtet Ruth Voulbamina. Jeder hat dabei prägende Elemente "seiner Landschaft" hinzugefügt, Kaktusse, Obstbäume, Wiesen mit Heidekraut, felsige Hügel, einen kleinen Schafpferch, Hühnerstall, Gemüsegarten, niedrige Bauernhäuschen. Die Bäume stehen auf Stämmen aus Keramik, die Kronen sind gefilzt, gewebt oder aus winzigen Bommeln genäht. Nächste Station ist Holland, sagt sie. Dann kommt sie zurück nach Gauting und macht mit dem Workshop weiter.

"Es ist uns wichtig, den Schülern hier einen anderen Kunstbegriff zu vermitteln. Es geht nicht um das geniale fertige Werk eines Einzelnen, das man betrachtet, sondern um die kollektive Beteiligung und das Kommunikative. Es gibt hier keine Noten, kein besser oder schlechter", sagt die Kunstlehrerin. Wiedemann hat vor, die Workshops und gemeinsamen Aktionen fortzuführen. Die Verbindung mit der mexikanischen Künstlergruppe entstand bei einem gemeinsamen Pilgerlauf durch mehrere Staaten Mexikos.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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