Gauting:Der weite Weg zur Aufführung

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"Die Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit": Diesen Spruch von Karl Valentin kann Theaterliebhaber Hans-Georg Krause nur unterstreichen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Hans-Georg Krause, Vorsitzender des Theaterforums Gauting und Spartenleiter für Schauspiel beim Bosco, beschreibt den riesigen Aufwand, damit Theater gelingt

Von Hans-Georg Krause

Der zahlende Besucher, der ins Konzert geht, das Kinofestival besucht oder das Museum, will ein Ergebnis sehen. Zu Recht. Wie viel Arbeit dahintersteckt, bis das Konzept einer Jazz- oder Klassikreihe steht, die Rockband den Auftritt zusagt und das erste Bild einer Ausstellung am Nagel hängt, interessiert ihn in dem Moment nicht. Dabei ist auch das ein Kunststück: Festivals, Musik- und Theaterreihen trotz geringer Zuschüsse über Jahre am Laufen zu halten. In der SZ-Serie "Kulturmacher" schreiben Veranstalter, wie ihnen das gelingt und mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben.

Bei einer guten Schauspielaufführung kommen viele Künste zusammen: Text und Sprache als eigentliches Zentrum, optisch fokussiert von einem künstlerisch gestalteten Bühnenbild, eingebettet von Klängen, Sound oder Bühnenmusik, häufig auch ergänzt durch Videokunst; und alles wird durch die Schauspieler unmittelbar und live präsentiert. In kaum einer Kunstart sind so viele unterschiedliche Künste gleichzeitig vertreten. Vielleicht ist dies der Grund für das Geheimnis, warum die Schauspielreihe im Bosco beim Publikum die Beliebteste ist. Die Vorstellungen sind in der Regel ausverkauft. Wir sahen uns dieser Tage sogar gezwungen, für neue Abos einen Aufnahmestopp zu verhängen, damit wenigstens noch ein Teil der Karten für den Einzelverkauf zur Verfügung steht.

Diese Resonanz ist sehr erfreulich, aber bis die Besucher in den Genuss dieser Kunst kommen, ist es ein weiter Weg, den ich hier exemplarisch beschreiben will.

Wir haben es uns zum Prinzip gemacht, Gastspiele aus dem Repertoire großer Schauspielhäuser einzuladen. Während die gängigen Tourneetheater sich mehr oder weniger jeder Bühnensituation der Gastspielhäuser anpassen, verhält es sich bei unserer Auswahl genau andersherum: Unsere Bühne muss die Bedingungen des gewünschten Gastspiels erfüllen. Schließlich wurde die Produktion von einem Regisseur und seinem Team als Kunstwerk geschaffen und sie soll daher auch an anderen Spielorten genau die gleiche Wirkung entfalten. Dabei gibt es in der Praxis leider eine Vielzahl von Hindernissen:

Die Bosco-Bühne hat eine Tiefe von acht Metern, wir brauchen aber zum Beispiel im Oktober beim Theater an der Ruhr eine Tiefe von 14 Metern. Durch eine entsprechende Vorbühne zulasten des Zuschauerraumes ist das möglich, aber ein Bühnenbild das höher als 4,50 Meter ist, kann ja nicht abgesägt werden. Scheinwerfer, die auf der Originalbühne aus einem hohen steilen Winkel leuchten, können im niedrigen Bosco mit einem flachen Lichtwinkel ungewünscht ganz andere Effekte erzielen. Oder das Stück wird im Original in einem intimen kleinen Raum gespielt, während das Bosco einen länglichen Raumkörper hat, usw. Es gibt viele Gründe, warum ein Gastspiel nicht zustande kommt. Dabei sind die finanziellen Überlegungen dann erst die Letzten.

Der erste Schritt ist daher die Überprüfung der technischen Machbarkeit: Bühnenpläne werden ausgetauscht, Projektionswinkel und Positionen für Scheinwerfer und Lautsprecher werden eingetragen. In vielen Fällen macht ein Team aus Licht-, Ton und Bühnen-Technikern zusätzlich eine Vorreise, um alle Anforderungen zu überprüfen.

Die nächste Hürde ist die Kunst der Terminfindung: Am Schauspielhaus geht der Betrieb ja weiter, das heißt ein Termin muss gefunden werden, an dem keiner der Darsteller in einer anderen Inszenierung auf der Bühne stehen darf. Es müssen Stücke gespielt werden, in denen die Schauspieler aus dem Gastspiel nicht mitwirken. (Dies gilt in vielen Fällen auch für die Techniker) Die Schauspieler sollten aber auch nicht kurz vor der Premiere einer Neuproduktion stehen oder eine "Drehverpflichtung" haben. Gleichzeitig muss aber auch im Belegungsplan des Bosco der gewünschte Termin noch frei sein - und nicht nur dieser, sondern auch ein zusätzlicher Tag davor für die technische Einrichtung. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Schauspielhäuser ihre Gastspielreisen planen können, ist der Belegungsplan im Bosco aber schon längst dicht gefüllt mit anderen Terminen.

"Wie einfach ist doch ein Quartettabend" denk ich mir manchmal - man braucht nur vier Stühle und vier Notenpulte. Fertig ist die Vorbereitung. Während für das Schauspiel häufig zwei volle Tage lang in genauester Kleinarbeit die Vorstellung eingerichtet wird und gleich nachts nach der Aufführung abgebaut und verladen werden muss.

Auch wenn am Ende nur vier Schauspieler auf der Bühne standen, reist doch ein großer Stab an Spezialisten an: Bühnentechniker für Licht, Ton, Video, Souffleuse, Requisite, Maske, Regie usw., das kann schnell zu einer 25-köpfigen Mannschaft anwachsen. 50 Übernachtungen zu organisieren und im Budget einzuplanen, ist nichts Ungewöhnliches. An diesem kleinen Detail zeigt sich auch für den Außenstehenden, warum die Schauspielkunst nur mit öffentlichen Subventionen und großzügigen Förderern möglich ist und wir uns lediglich sieben Vorstellungen im Jahr leisten können.

Schauspiel im Bosco: Ist das nur Organisation und Technik, wo bleibt der Inhalt, die Auseinandersetzung mit der Kunst? Natürlich stehen am Anfang der gesamten Planung intensive Überlegungen zur Stückauswahl, Regiehandschriften und Konzeption der Reihe, aber realistisch gesehen macht dieser schöpferische Teil nur fünf Prozent der gesamten Arbeit aus. Karl Valentin hatte schon recht: "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit!"

Nächste Vorstellungen sind am 18. und 19.Oktober. Das Theater an der Ruhr zeigt "Eines langen Tages Reise in die Nacht"; am 15. November kommt das Metropoltheater München und zeigt "Bartleby" (ausverkauft); am 8. Dezember tritt die Shakespeare Company Bremen mit "Maria Stuart" auf.

© SZ vom 27.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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