Gauting:Das Leben als Totentanz

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Abgewrackt: Simone Thoma als Mutter in Roberto Ciullis Inszenierung des O'Neill-Dramas "Eines langen Tages Reise in die Nacht". (Foto: Theater an der Ruhr, Schmitz)

Das Theaterprogramm des Gautinger Bosco startet mit "Eines langen Tages Reise in die Nacht", einem deftigen amerikanischen Familiendrama des Autors Eugen O'Neill

Von Gerhard Summer, Gauting

Wenn wirklich nichts komischer ist als das Unglück, wie Beckett glaubte, dann müsste diese Familie permanent von Lachanfällen geschüttelt werden. Vater James Tyrone und seine Söhne Edmund und James - drei Alkoholiker. Die Mutter Mary - Morphinistin, dabei aber eine Frau, die für alles Verständnis hat, sogar für ihren Mann, diesen abgewrackten Schauspieler, der so unglaublich geizig ist, dass es weh tut. Mary muss mal eben ins Gästezimmer, sich einen Schuss setzen. Sohn James eilt in einen Club, "zu den Weibern und zum Whiskey". Auf der Bühne stehen zwei flache Pools; Bücher, Koffer und anders Zeug schwimmen darin. Einmal tanzt Edmund auf einem Bein durchs Wasser und fischt aufgeweichte Buchseiten heraus, Jim Morrison von den Doors singt dazu "This is the end, my friend".

Das Leben kann ein Totentanz und eine Hölle sein, aus der es kein Entrinnen gibt, lehrt der amerikanische Dramatiker Eugen O'Neill (1988 bis 1953) in "Eines langen Tages Reise in die Nacht". Sein Stück spielt 1912, an einem Tag zwischen Morgen und Mitternacht. Das Theater an der Ruhr rafft das Elend der Familie Tyrone in seiner Inszenierung auf zwei Stunden zusammen. Und Regisseur Roberto Ciulli und seinem Team gelingt offenbar ein "berauschender Theaterabend mit Suchtfaktor", unheimlich schönen Bildern und gespenstisch leerer Atmosphäre, so WAZ, WDR 3 und FAZ. Ciullis Version des Abhängigkeits-Dramas hatte vor einem Jahr Premiere in Mühlheim an der Ruhr, nun ist das Stück in zwei Vorstellungen im Gautinger Bosco zu sehen. Die Abende am Sonntag und Montag, 18. und 19. Oktober, sind der Auftakt für das neue Schauspielprogramm des Kulturhauses, ein so morbider wie beherzter Start.

Dafür ist der Leiter dieser Reihe, Hans-Georg Krause, freilich bekannt: dass er nichts von Larifari-Theater hält. Krause ist es in den vergangenen Jahren gelungen, große Produktionen wichtiger Schauspielhäuser aus der Bundesrepublik ins kleine Gauting zu holen. Auf seiner Liste standen schon das Theater Chemnitz, das Schauspiel Frankfurt, natürlich das Metropoltheater München, das Maxim-Gorki Theater Berlin und das Düsseldorfer Schauspielhaus. Zeitweise gab er sogar der flügellahmen Kreisstadt Starnberg Starthilfe: Ein Abonnement bot jeweils vier Gastspiel-Vorstellungen im Bosco und in der Schlossberghalle. Die Zusammenarbeit wurde wegen der "schwierigen Akustik" in Starnberg wieder eingestellt, wie Krause auf der Internetseite des Bosco vermerkt.

Für die neue, bis April 2016 dauernde Spielzeit hat Krause sechs Produktionen an Land gezogen. Unter anderem vermengt die Familie Flöz in "Haydi" Masken-, Puppen- und Schauspiel mit Motiven aus "Heidi". Das Schauspiel Frankfurt gibt die "Blechtrommel" nach Günter Grass und das Staatsschauspiel Dresden das Romanfragment "Bilder deiner großen Liebe" von Wolfgang Herrndorf. Im Herbst und Winter 2015 stehen drei Gastspiele an, wer sich freilich noch nicht nach Karten umgetan hat, dem bleibt heuer nur Eugen O'Neills Abgesang auf die Familie. Denn die anderen Abende 2015 sind schon ausverkauft: die vom Metropol-Theater in Szene gesetzte kafkaeske Wall-Street-Geschichte "Bartleby, der Schreiber" und Schillers "Maria Stuart" in der Fassung der Bremer Shakespeare Company.

Die Vorstellungen beginnen um 20 Uhr, Karten unter www.bosco-gauting.de.

© SZ vom 23.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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