Gauting:Boogie im Blut

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Axel Zwingenberger und Lila Ammons ziehen die Gautinger in ihren Bann

Von Reinhard Palmer, Gauting

Seit er mit 17 Jahren den Boogie-Woogie für sich entdeckt hatte, gab es für Axel Zwingenberger wohl nur noch ein Ziel: Der Beste darin zu sein. Und wie er da im ausverkauften Gautinger Bosco auf die Bühne spazierte und sich mit Blues und Boogie virtuos am Flügel warm spielte, war die Routine von 43 Jahren deutlich spürbar. Zwingenberger brennt sichtlich nach wie vor für diese schon etwas in Vergessenheit geratene Musik und begeistert sich für jede seiner virtuosen Figuren, die er brillant und meist kraftvoll in die Tasten hämmert - und zwar mit Präzision und exaktem Ebenmaß. Seine Hände schienen selbständig zu agieren, als Zwingenberger mit einem schelmischen Schmunzeln ins Publikum blickte - gerade so, als wollte er sich vergewissern, ob die Leute ihm auch wirklich aufmerksam folgten.

Selbst wenn man kein eingefleischter Boogie-Woogie-Anhänger ist, kann man sich diesem packenden Drive kaum entziehen. Es verwundert nicht, dass diese Gattung immer wieder als akustisches Abbild einer Dampflokfahrt interpretiert, ja sogar dahingehend gezielt mit der Thematik hinterlegt wurde. Dieser Aspekt durfte denn auch im Gautinger Programm nicht fehlen. Etwa in der monoton ratternden Variante von Meade Lux Lewis im "Honky Tonk Train Blues" oder auch in der erzählerisch differenzierteren Fassung mit der Eigenkomposition "Boogie Train mystic". Gerade im letzteren wurde Zwingenbergers Liebe zu diesen nostalgischen Ungetümen, deren eigentümliche Schönheit er zu dokumentieren und zu konservieren bemüht ist, deutlich spürbar. Mit seinem gewichtigen Engagement mit eigenen fotografischen (Nacht-)Aufnahmen und Sound-Mitschnitten, die er zwischen zwei Buchdeckeln veröffentlichte, leistete Zwingenberger zweifelsohne einen bedeutenden kulturhistorischen Beitrag.

Zwingenberger ist in gewisser Weise ein romantischer Einzelgänger, auch wenn seine Schwärmerei eher lauten und derben Dingen gilt. Dass er in der Regel solistisch auftritt, bedeutet allerdings nicht, dass er nicht auch ein einfühlsamer Ensemblespieler sein kann. Den Beweis dafür lieferte er im Bosco zwar nicht, doch brachte er eine prominente Blues- und Jazzsängerin nach Gauting. In dem Fall allerdings wohl vor allem, weil Lila Ammons den Boogie im Blut hat. Buchstäblich. Als Enkelin eines der Boogie-Woogie-Väter, Albert Ammons, wuchs sie mit dieser Musik auf. Dass sie nach klassischem Gesangsstudium und kurzer Opernkarriere zu ihren Wurzeln zurückgekehrt ist, beweist nur die nachhaltige Wirkung dieser schwarzen musikalischen Lebensphilosophie, die letztlich auch Zwingenberger so unerschütterlich gefangen hält. Sich zurückzunehmen, um den wohltonigen Erzählungen der Altistin den nötigen Freiraum zu gewähren, fiel ihm nicht schwer. Zwingenberger und Ammons agierten im gleichwertigen Duo, zumal Ammons' Stimme mit ihrer Dunklen Substanz den hohen Klavierlagen eine wohltuende Balance bot. Der packende Drive blieb, ist doch auf Zwingenbergers unermüdliche Blues- und Boogie-Woogie-Maschinerie in der gnadenlos wie eine donnernde Dampflok vorantreibenden Basslinie verlass. Und das dringt durch Mark und Knochen, was das Publikum mitriß. Es spendete phrenetische Ovationen. Zwei Zugaben.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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