Gauting:Blockbuster und Oper

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Das Germeringer Cineplex ist mit sieben Sälen das größte Kino, mit dem das neue Gautinger Lichtspielhaus konkurriert, das Filmeck in Gräfelfing mit seinen gerade mal 86 Sitzplätzen das mit Abstand kleinste

In Seefeld macht Matthias Helwig Kunst, in Starnberg verdient er Geld, in Gauting soll nun beides möglich werden. Der Kinobesitzer und Chef des Fünfseen-Filmfestivals will mit dem Programm seines neuen Lichtspielhauses Besucher aus dem ganzen Würmtal anziehen und alle Altersschichten ansprechen, auch die Jugendlichen, die bislang lieber ins Mathäser nach München fahren. In welchem Umfeld sich Helwig bewegt, versucht die SZ mit Porträts der Kinos in unmittelbarer Nähe zu zeigen, darunter auch Helwigs eigener Dependance in Starnberg. Ihre Zukunft ist ungewiss: Die Sparkasse denkt dran, das Portobello-Haus, in dem das Kino untergebracht ist, zu verkaufen.

Starnberg

Spät abends in der Wittelsbacher Straße in Starnberg, es ist dunkel und ruhig, nur ein Gebäude ist beleuchtet und belebt. Es ist das Breitwand-Kino, in dem gerade ein Filmgespräch stattfindet. Einige Besucher sitzen im offenen Café im Foyer und schlürfen einen späten Espresso. Sie wollen zur Spätvorstellung und warten darauf, dass die Diskussion mit dem Regisseur zu Ende geht. Seit Eröffnung des Starnberger Kinos im Juli 2002 zeigt Matthias Helwig nicht nur aktuelle Filme (mit Ausnahme von gewaltverherrlichenden Produktionen), Klassiker, Arthouse-Filme, Dokumentationen und Filme im Original mit Untertiteln, sondern bietet auch Filmgespräche und Matineen an und täglich eine Spätvorstellung. Und seit 2006 organisiert er das Fünfseen-Filmfestival. Herzstück sind die beiden Kinosäle mit 169, respektive 117 Plätzen. Sie gehen über zwei Geschosse in die Tiefe, die Zuschauerreihen sind so angeordnet, dass von jedem der bequemen mitternachtsblauen Kinosessel aus der Blick auf die 46 Quadratmeter große Leinwand frei ist. Eine besondere Überraschung für Starnberger Kino-Neulinge ist der Weg zu den Toiletten im Untergeschoss, führt er doch vorbei an einem mit Stahlgitter gesicherten Raum mit einem riesigen Tresor, einem Relikt aus der Zeit, als hier die Starnberger Sparkasse ihren Sitz hatte.

Gilching

Begonnen hat es im Jahr 1986. Damals gründete Matthias Helwig das erste Breitwand Kino in Gilching. Das Haus in der Römerstraße 11 hatte lange Kino-Tradition. 1928 wurde in der Bahnhof-Restauration nämlich das erste Kino im Ort eingerichtet. 1998 musste Helwig nach vergeblichen Protestaktionen seiner Unterstützer den Standort aufgeben. Gebäude und Kino wurden erweitert. Seit 1999 wird in der "Filmstation" mehr Mainstream gezeigt. Im Foyer gibt es ein kleines Café, in dem man sich vor Filmbeginn mit seinen Freunden treffen kann. Die Filme werden in zwei Sälen gezeigt. Der Blaue Saal hat eine 60 Quadratmeter große Leinwand und 191 Sessel. Der rote Saal bietet Platz für 104 Besucher und hat eine 50 Quadratmeter große Leinwand. In beiden Sälen sind die Sitzreihen nach hinten ansteigend, so dass man überall gute Sicht auf die Leinwand hat. Neben den aktuellen Kinohits versucht der Betreiber zusätzliche Besucher mit Sonderevents zu locken. Es gibt Vorpremieren, bei denen Filme vor dem Bundesstart gezeigt werden, an jedem Sonntag eine Film-Matinee, ein Frühstückskino steht dienstags um 9.30 Uhr auf dem Programm, es gibt Angebote für Senioren und für Kindergeburtstage. Regelmäßig werden Filme in englischer Originalfassung gezeigt, und für Autogrammstunden kommen Regisseure. Als besonderes Angebot für Kulturfreunde überträgt die Filmstation live Opern und Ballettaufführungen aus dem Royal Opera House in London. Am 17. Oktober wird beispielsweise "Cosi fan Tutte" von Mozart gezeigt.

Germering

Das größte Kino in der Umgebung ist und bleibt das Cineplex in Germering. Seit Ende Juli 2015 zeigt Theaterleiter Michael Riedlberger in sieben Sälen Filme, zu 100 Prozent Blockbuster, wie er sagt. Im August verzeichnete er den 200 000. Besucher. Deshalb ist Riedlberger "voll zufrieden" damit, wie das Cineplex angenommen wird. Die Besucher kommen zu einem großen Teil aus Germering, Puchheim, Gröbenzell oder Olching. Auch aus den westlichen Münchner Stadtteilen fahren Filmfans ins Cineplex. Außerdem kommen Kinobesucher aus Gauting. Eine Konkurrenz zum neuen Kino von Matthias Helwig sieht Riedlberger deshalb schon, allerdings ist er überzeugt, dass beide Kinos "ganz gut nebeneinander Platz" haben. Seine Meinung begründet er damit, dass sich die Programme unterscheiden werden. Helwig gehe doch mehr in Richtung Arthouse, vermutet der Germeringer Theaterleiter. Überdies sieht er auch Helwigs Kinobesucher aus anderen Gegenden kommen als seine. Aus der Richtung südlich von Gauting fahre kaum jemand zum Filmschauen nach Germering, sagt Riedlberger. Das Cineplex bietet 988 Plätze. Es liegt an der Ecke Spange/Münchner Straße und gehört zu dem Komplex der Germeringer Einkaufspassagen.

Gräfelfing

"Dieses Kino ist für mich wie ein zweites Zuhause. Ich liebe es über alles." So schwärmt Katharina Stechl über das Filmeck in Gräfelfing, in dem sie seit zehn Jahren Eintrittskarten und Gummibärchen verkauft. Der Begeisterungsausbruch sagt viel über die familiäre Atmosphäre sowie die Verbundenheit von Mitarbeitern und Besuchern. Mit 86 Sitzplätzen in nur einem Saal ist das Kino im Untergeschoss des Gräfelfinger Bürgerhauses das kleinste in der Umgebung. Es lebt vor allem von seinem Stammpublikum. In Gräfelfing läuft kaum Mainstream, eher Arthouse. Für sein Programm sowie wegen der Ton- und Bildqualität in dem kleinen Vorführraum hat der 68-jährige Betreiber Werner Scholz schon etliche Preise und Förderungen erhalten. Mit einer Portion Skepsis beobachtet er, was zwei S-Bahn-Stationen weiter südlich in Gauting passiert. Er hat Bedenken, ob dort genug Publikum kommt. "Hut ab", sagt Werner Scholz angesichts des unternehmerischen Mutes von Matthias Helwig. Scholz muss nicht seinen Lebensunterhalt mit dem Kino verdienen, er arbeitet hauptberuflich im Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht.

© SZ vom 13.10.2016 / bla, pat, ano, rzl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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