Gauting:Beseelte Einfühlsamkeit

Lesezeit: 2 min

Sie spielen erstmals nach dem Tod von Rainer A. Köhler im bosco. (Foto: Nila Thiel)

Das Ensemble Berlin eröffnet die neue Konzertsaison im bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Vor 18 Jahren begründete ein Konzert des Ensembles Berlin das nachmalige Klassikforum, das heute unter dem Gautinger bosco firmiert. Architekt Rainer A. Köhler hatte das neu gegründete Ensemble damals in die Frauenkirche eingeladen, da es das bosco noch nicht gab. Nun fiel es dem Ensemble Berlin zu, nach Köhlers Tod das erste Konzert zu spielen und mit der Widmung an ihn die neue Konzertsaison zu eröffnen. Wie auch für 2018 und 2019 geht die Programmplanung auf Köhler zurück.

Was das Spiel des Ensembles Berlin von Anfang an auszeichnete, war dessen beherzter, vitaler Zugriff, mit dem es das Publikum immer im Sturm zu erobern vermochte. Diesmal war es etwas anders, zumal wegen einer erst kurzfristig bemerkten Terminunstimmigkeit Ensemble-Leiter Christoph Hartmann (Oboe) auch auf Stipendiaten der Karajan-Akademie zurückgreifen musste. So konzertierten neben den Berliner Philharmonikern Helena Madoka Berg (Violine 1), Walter Küssner (Viola), Ulrich Wolff (Kontrabass) und Hartmann auch die jungen Musiker Alexa Farré-Brandkamp (Violine 2), François Thirault (Violoncello) sowie in letzter Sekunde eingesprungen Javier Biosca Bas (Fagott).

Das Publikum blieb verhaltener als sonst, obgleich im Programm reichlich mitreißender Stoff zu finden war. Vor allem in den beiden Mozart-Ouvertüren, die das Ensemble im straffen Tempo kraftvoll durchformte, ohne in kammermusikalischer Besetzung die orchestrale Anlage vermissen zu lassen. In der Ouvertüre zur Zauberflöte blieb die prägende Tektonik der pochenden Fuge entschieden und markant. In der Eröffnung zu Figaros Hochzeit indes überzeugte die trotzige Akzentuierung, die das Ensemble mit präziser Schärfe konsequent einwarf.

Charakteristisch fürs Ensemble Berlin ist auch das Aufführen von Arrangements, die auf den ersten Blick bisweilen unmöglich erscheinen, doch meist aus der Feder von Wolfgang Renz doch in eine Form gebracht werden, die interessante Einblicke in die Materie eröffnen. So in Debussys "Suite bergamasque", die originär mit dem Klavier auskommt, in der Ensemblefassung indes eine analytische Klarheit erfuhr, nicht ohne auf ätherische Atmosphäre zu verzichten. Selbst das stimmungsvolle "Clair de lune" darin überzeugte mit Zartheit und fein schillernder Textur. In Anbetracht dessen erwies sich das davor in Originalbesetzung gespielte Andante aus dem Rosamunde-Quartett von Schubert als ideale Einstimmung. Die sangliche Schönheit aus einem Werk, das Schubert nicht zuletzt aufgrund seines anspruchsvollen Quartettsatzes erstmals öffentliche Beachtung bescherte, griffen die Streicher des Ensembles Berlin mit beseelter Einfühlsamkeit bei gleichzeitiger selbstbewusster Substanzfülle auf.

Hohen Anspruch erhob auch das Konzertstück op. 113 laut Mendelssohn selbst nicht unbedingt, komponierte er es doch im Tauschgeschäft gegen Dampfnudeln und Rahmstrudel während deren Zubereitung. Und dennoch birgt das Werk, das im Original für Klarinette, Bassetthorn und Klavier komponiert ist, hinter der vergnügten Fassade doch kompositorisch anspruchsvolle Strukturen, die das Septett in packender Ensemble-Balance schlüssig durchformte. Der virtuose Oboenpart war hier nicht wie bei Massonneau Selbstzweck, bekam zudem mit dem Fagott ein herausforderndes Gegenüber. Dieses brillante Duett verlieh dem Werk eine wirkungsvolle Kraft und bescheinigte Biosca Bas Meisterschaft am Instrument, standen ihm zur Einstudierung doch nur wenige Arbeitsstunden zur Verfügung.

Lang anhaltender Applaus und verträumtes "Clair de lune" als Wiederholungszugabe.

© SZ vom 04.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: