Gauting:Befreit aufgespielt

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Keilhacks Orchestervereinigung im Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Dorian Keilhack versteht offenbar viel von Motivation. Seit er die Orchestervereinigung Gauting übernommen hat, weht ein frischer Wind durch ihre Reihen. Und der bewirkt nicht nur, dass sich das Orchester verjüngt, sondern vor allem, dass sich die Musiker sichtlich freier fühlen und ihr Instrument nicht so ängstlich umklammern. Diese Gelöstheit war für das Repertoire, das im diesjährigen ersten Sinfoniekonzert im gut besuchten Gautinger Bosco zur Aufführung kam, geradezu essenziell.

Derart frisch, rhythmisch packend, bisweilen vergnüglich galant, aber auch schon mal mit dramatischer Zuspitzung hat das Orchester eine Haydn-Sinfonie gewiss noch nie interpretiert. Und es geht hier keinesfalls um einen pauschalen Zugriff, vermochte doch Keilhack mit energischem Dirigat den Sinfonien Nr. 95 und 96, respektive c-Moll und D-Dur, jeweils ein ganz eigenes Gepräge zu verleihen. Während der Tonart c-Moll entsprechend Dramatik energischen Zuschnitts die Sinfonie beherrschte, die das Konzert eröffnete, gab sich die D-Dur-Sinfonie ("The Miracle") genannt, festlicher und von der Klangsubstanz her voluminöser, dennoch leichter. Beide Charakterisierungen waren wichtige Bestandteile des Abends, dazu kam als Kontrastprogramm galante Melodik. Das für Haydn typische Changieren zwischen den gestalterischen Polen streifte beachtlich viele Nuancen im Ausdruck, die in den beiden weiteren Werken des Konzerts zum Thema werden sollten. Vor allem im berühmten Gitarrenkonzert des spanischen Komponisten Joaquín Rodrigo, dem "Concierto de Aranjuez", das dem Königspalast mit seinen üppigen Lustgärten in der Nähe von Madrid ein Denkmal gesetzt hat.

Gerade jetzt ist der Ort in Spanien wohl in aller Munde, in Vorfreude auf die baldigen ersten Erdbeeren (Fresa y Fresón de Aranjuez), die es da mit einer gewaltigen Portion Schlagsahne gibt. Wer eine Erinnerung an dieses lukullische Vergnügen bewahrt, versteht die Köstlichkeit der Musik wohl besser, zumal wenn gedanklich auch noch die sommerlichen Gerüche der Gärten in seine Nase steigen. Die Orchestervereinigung Gauting fing - ganz gleich ob wissentlich oder nicht - diese Farbigkeit und Sinnenfreudigkeit des Konzerts gut ein, agierte aber dennoch weit zurückgenommen, um Stephan Stiens an der Gitarre Vorrang zu gewähren und den Klang der Gitarre im Ensemble auszubalancieren. Ein Verstärker war dennoch nötig, bietet die trockene Akustik im Bosco einer Gitarre doch keinerlei Tonentfaltung. Die atmenden Weiten im heiß flimmernden Sonnenlicht kamen dadurch zu kurz, sie gaben vielmehr Anlass zur kammermusikalischen Interpretation mit filigranen Melismen, die sich da zwischen den Tänzen und sehnsuchtsvollen Gesängen leidenschaftlich durchwanden.

Die reich nuancierte Vielfalt im Kolorit fand zum Ende des Konzerts in der Sinfonie Nr. 1 D-Dur - der sogenannt klassischen - von Prokofjew eine anders geartete Entsprechung. Während bei Rodrigo die Leichtigkeit und Spritzigkeit als Kontrastmittel zur sehnsuchtsvollen Melodik stand, machte Keilhack bei Prokofjew die plastische Modellierung zum Gegenstand. Auch hier gab es viele Tänze und fließende Melodien in den schillernden Streichern oder von den entrückt schwebenden Bläserstimmen. Doch bei Prokofjew zeigte sich alles mit Energie geladen und mit Verve präsentiert. Lediglich die Gavotta als kurzer Spaß in spritziger Leichtigkeit sollte hier für Entspannung sorgen. Ansonsten ließ Keilhack behutsam die Zügel locker, doch nicht zur Entspannung, sondern als Motivation für seine Instrumentalisten, sich der Musizierlust hinzugeben. Dementsprechend engagiert legte er sich ins Zeug und provozierte ein fulminantes Finale mit einem schmissigen Schluss. Lang anhaltender Applaus im Bosco.

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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