Romanadaption:Barfuß durch die Welt

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Herrndorfs "Bilder deiner großen Liebe" als Theaterabend im Bosco

In "Tschick" machen sich zwei junge Außenseiter mit einem geklauten hellblauen Lada Niva in Richtung Walachei auf und begegnen freundlichen und merkwürdigen Menschen. In "Bilder deiner großen Liebe" geht es trostloser zu. Isa, das Mädchen, das in "Tschick" noch auf dem Weg nach Prag war und den beiden Freunden gezeigt hatte, wie man Benzin aus Autos abzapft, stapft in Wolfgang Herrndorfs letztem unvollendeten Roman barfuß durch die Welt. Sie sucht auf Müllhalden nach Essbaren. Sie schläft unter freiem Himmel, und sie trifft auf so gut wie niemanden, dem sie trauen kann: auf einen Binnenschiffer, einen toten Jäger, einen lüsternen Lkw-Fahrer. Nein halt: Da ist doch jemand, den sie kennt und dem sie vertrauen kann, ein wenig zumindest: der Tschick-Erzähler. Sie legt ihre Hände auf seine Stirn und sagt: "Lautlos geborgen und im Schutz meiner Hände und der schirmenden Nacht liegt er da".

Herrndorf (1965 bis 2013) hat die "Bilder deiner großen Liebe", eine Nachfolgegeschichte von "Tschick", zu einer Zeit geschrieben, da er schwer erkrankt und schon fast nicht mehr auf dieser Welt war. Kritiker fanden, das Buch gehöre in die Liga der großen Außenseiterromane. Isa sei so verrückt wie Büchners Lenz, so verloren wie Robert Walsers Jakob von Gunten, so empfindsam und kalt wie Camus' Fremder, schrieb die Zeit. Das Staatsschauspiel Dresden bringt die Roadnovel nun am Sonntag, 10. Januar, auf die Bühne des Gautinger Bosco (20 Uhr). Regie führt wie schon bei "Tschick" Jan Gehler, in der Hauptrolle der Vagabundin Isa ist Lea Ruckpaul zu sehen. Die SZ schrieb von einem leisen, poetischen Theaterabend, monierte aber wie andere Zeitungen die allzu langen Monologe. Die Dresdner Morgenpost lobte Ruckpauls "ungeheure Bühnenpräsenz". Für die Inszenierung gibt es nur noch ein paar Karten (089/45238580).

Dem Abend geht eine Lesung voran: Schauspieler Matthias E. Friedrich stellt Herrndorfs Blog "Arbeit & Struktur" vor, mit dem der Autor seine Krankheit dokumentiert hatte (9. Januar, 20 Uhr).

© SZ vom 08.01.2016 / sum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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