Garatshausen:Verloren im Kitsch

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Mit der Kamera in der Hand ist Bettina Lindenberg unterwegs. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Bettina Lindenbergs Fotos aus China erinnern an Hochglanzmagazine

Von Katja Sebald, Garatshausen

Die Münchner Fotografin Bettina Lindenberg zeigt derzeit in der "Galerie Starnberger See" Stilleben aus einer anderen Welt - und aus einer anderen Zeit: Im Jahr 1990 fuhr sie zwei Monate lang mit der Transsibirischen Eisenbahn durch China. Im Gepäck hatte sie 20 Diafilme. Erst gut zwei Jahrzehnte später stellte sie ihre hochästhetischen Reisefotografien erstmals aus, unter anderem waren sie 2012 im Münchner Völkerkundemuseum zu sehen. "Sehnsucht China" heißt ihre aktuelle Ausstellung in Garatshausen.

Die Bilder von Bettina Lindenberg sind alles andere als die bloßen Dokumentationen einer Reise. Es handelt sich vielmehr um sorgfältige Inszenierungen von scheinbar alltäglichen Dingen: zwei Teeschalen auf einem weißen Tischtuch oder Knoblauchzehe und Essstäbchen in zwei irdenen Gefäßen, eine lichte Ton-in-Ton-Komposition. Ein lesender Mönch auf einem roten Hocker oder rote Chilischoten, die in der Sonne trocknen. Eine rote Fahne. Ein Korb mit roten Früchten. Eine rote Ziegelmauer. Dann wieder das Pagodendach eines Klosters im Nebel, ein beinahe farbloses Bild. Zwei Radfahrer im Abendlicht, die sich in einer Pfütze spiegeln. Wasserdampf und Blechgefäße in einer Garküche.

Lindenberg absolvierte in den Achtzigerjahren nicht nur eine Ausbildung zur Grafikerin, sondern auch eine Assistenz bei einem Still-Life-Fotografen. Sie weiß, wie man Bilder komponiert und wie man das Licht für dramatische Chiaroscuro-Effekte einsetzt. Die analoge Ästhetik ihrer Bilder stammt aus einer anderen Zeit. Sie steht aber auch für die Kunst des Fotografen, geduldig auf den richtigen Moment zu warten. Die ebenso sparsamen wie effektvollen Farbakzente und die kunstvoll arrangierte Stille erinnern an Hochglanzmagazine aus dem letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts. Die neben den Bilder platzierten chinesischen Weisheiten und Zitate von Gelehrten entstammen demselben Zeitgeschmack.

Die Bilder von Bettina Lindenberg sind dennoch kein Kitsch, sondern könnten auch als zurückhaltende, beinahe poetisch leise Zeitdokumente, als Bilder aus einem vergangenen oder vergehenden China, gelesen werden. Zu Kitsch werden sie erst in dieser Verkaufsausstellung, in der sie zusammen mit Teegeschirr, Buddha-Statuen und anderen kunstgewerblichen Objekten als Asia-Lifestyle-Arrangements präsentiert werden. Das haben sie nicht verdient.

Die Ausstellung "Sehnsucht China" ist noch bis zum 23. Januar jeweils freitags, 15 bis 18 Uhr und samstags von 11 bis 14 Uhr in der "Galerie Starnberger See", Weylerstr. 6 in Garatshausen, zu sehen.

© SZ vom 26.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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