Flüchtlingsheime:Unterschiedliche Blickwinkel

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Die Möbel in Flüchtlingsunterkünften entsprechen der Norm. Hier gibt es so gut wie nichts Persönliches. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Wenn Flüchtlinge von dezentralen Unterkünften in neue Containeranlangen ziehen, dürfen sie Gegenstände wie Teppiche und Vorhänge nicht mitnehmen - wegen Brandgefahr. Bei Betroffenen stößt dies auf Unverständnis

Von Astrid Becker, Starnberg

Staubsauger, Teppiche, Vorhänge: Gegenstände, die für wohl jeden Landkreisbewohner völlig normal sein dürften. Geht es jedoch um Flüchtlingsunterkünfte werden derartige Dinge zum Sicherheitsproblem - zum Ärger der Helferkreise, die teilweise große Anstrengungen unternommen haben, um mit derartigen Accessoires den Flüchtlingen zu helfen, sich hierzulande leichter einzugewöhnen.

Wer sich in diesen Tagen beispielsweise bei den vielen ehrenamtlichen Helfern in Gauting umhört, wird dazu einiges zu hören bekommen. Denn dort steht der Umzug der Flüchtlinge aus der dezentralen Unterkunft im Fabrikgebäude der AOA-Apparatebau in die neue Containeranlage im kommenden Jahr bevor. Schon jetzt gab es dazu dezidierte Anweisungen des Landratsamtes, was dorthin mitgenommen werden darf. Eines zum Beispiel nicht: Teppiche.

In einem entsprechenden Schreiben an die Koordinatoren der Helferkreise im Kreis hatte Landrat Karl Roth sich bereits explizit zum Thema Teppiche und Brandschutz geäußert. Darin heißt es, dass in den neuen Anlagen nur "solche Teppiche verwendet werden dürfen, die über einen Nachweis verfügen, dass der jeweilige Teppich nur schwer entflammbar ist." Auch das "schwer entflammbar" wird genau definiert: Der Teppich muss der Brandschutzklasse nach den in der Europäischen Union jetzt verbindlichen Euroklassen Bfl-s1 und Cfl-s1 nach EN 13501-1 entsprechen. Alle anderen Teppiche sind demnach eine "gefährliche Brandlast", die zum Schutz der Bewohner entfernt werden muss.

Zum Teil ist dies offenbar schon geschehen. In Krailling zum Beispiel wird von einer afghanischen Familie berichtet, für die Teppiche "ein wichtiger Bestandteil ihres kulturellen Lebens darstellen", wie eine ehrenamtliche Helferin sagt, die der SZ bekannt ist. Die Frau klingt aufgeregt, als sie davon erzählt - nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass diese Teppiche in der Würmtalgemeinde in einer Spendenaktion gesammelt und dann, gegen einen symbolischen Obulus, an die Flüchtlinge verkauft wurden: "Nach unserem Empfinden ist das also das Eigentum unserer Asylbewerber, das ihnen nun einfach wieder weggenommen wurde", sagt sie. Dazu gehören auch Vorhänge, die vor allem für muslimische Frauen eine besondere Bedeutung haben: Denn sie dürfen ihre Kopftücher nur abnehmen, wenn garantiert ist, dass sie kein Familienfremder dabei beobachten kann. Doch auch Vorhänge gehören zu den Dingen, die aus brandschutzrechtlicher Sicht ein großes Risiko darstellen - ebenso wie Elektrogeräte, die "älter als ein halbes Jahr" seien, wie die Kraillingerin erzählt: "Solche Geräte dürfen praktisch gar nicht ausgegeben werden." Oder müssten nachträglich von einem Elektriker sicherheitszertifiziert werden, wie auch Kreisbaumeister Christian Kühnel der SZ auf Anfrage bestätigt.

Wer die Kosten dafür übernehme, wisse er nicht, sagt Kühnel: "Wahrscheinlich die Helferkreise." Diese sind jedoch auch für die Entsorgung der Gegenstände zuständig, die nun verboten sind. Das Landratsamt kümmere sich dabei nur um diejenigen Einrichtungsutensilien, die es selbst zur Verfügung gestellt hat: Matratzen etwa werden weggeworfen, Bettgestelle eingelagert - für zukünftigen Bedarf, wie Kühnel sagt. Er zeigt zwar großes Verständnis für den Unmut der Helferkreise, aber "da prallen unterschiedliche Perspektiven aufeinander, die allerdings ein Ziel eint: Für das Wohl der Flüchtlinge zu sorgen." Was darunter zu verstehen ist, darüber lässt sich offenbar streiten.

© SZ vom 16.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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