Flüchtlings-Zeltdorf in Tutzing:Schwerer Abschied

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Anleitung zum Holzhausbau: Handwerklichen Unterricht erhalten junge Flüchtlinge in Tutzing in der Schreinerei von Christof Schäfer. (Foto: oh)

Das Flüchtlings-Zeltdorf in Tutzing soll in zwei bis drei Monaten aufgelöst werden. Damit steht auch eine Initiative des Architekten Dieter Mruck vor dem Aus, der ein Holzgebäude mit Flüchtlingen errichten wollte

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Wie unwägbar derzeit alle Pläne sind, die mit Flüchtlingen zu tun haben, erleben in diesen Tagen die 380 Ehrenamtlichen des Ökumenischen Helferkreises in Tutzing und des Vereins "Big". Denn wie die Leiterin des Helferkreises, Roswitha Goslich, erfuhr, wird das Landratsamt das Flüchtlings-Zeltdorf am See in den nächsten zwei bis drei Monaten auflösen. Momentan leben dort laut Behörde 126 Männer, Frauen und Kinder. Sie sollen in Container umziehen, die in Gilching und Krailling aufgestellt werden.

Die neue Situation bedeutet nicht nur Unruhe und Sorge bei den Flüchtlingen, von denen die meisten seit Beginn des Zeltdorfes im September da sind und deren Kinder sich oft schon in Schule und Vereinen verankert haben. Mit dem Abbruch der Zelte steht auch das ambitionierte Projekt eines hölzernen Sozialbaus vor dem Aus. Das 90 000-Euro-Vorhaben wollte der Tutzinger Architekt Dieter Mruck mit engagierten Mitstreitern gemeinsam mit Asylbewerbern realisieren. "Die Zelte waren nicht darauf ausgelegt, dass sie unnötig lange stehen, das wussten wir", sagt Roswitha Goslich. Allerdings sei bei einer Sitzung vor zwei Wochen mit Bürgermeister Rudolf Krug noch die Rede davon gewesen, dass die Befristung für das Zeltdorf bis März 2017 auf den Sommer 2017 verlängert werden könnte. Am Mittwoch sei nun von einer Mitarbeiterin des Landratsamtes zu hören gewesen, das Zeltdorf solle "so schnell wie möglich, innerhalb von vier bis sechs Wochen", aufgelöst werden. Am Freitag modifizierte Behördensprecherin Barbara Beck die Aussage. Sie gehe von zwei bis drei Monaten bis zu einer Umsiedlung aus, "es kann sich auch ein wenig nach vorn oder hinten verschieben".

Goslich informierte den Führungskreis der Helfer. "Für uns alle bedeutet das gravierende Veränderungen", machte sie auf SZ-Nachfrage deutlich. Mit dem Wegzug der Zeltbewohner wird sich die aktuelle Zahl der Asylbewerber von 260, darunter 24 unbegleitete Minderjährige, in Tutzing halbieren. Dennoch sei man sich im Kreis einig gewesen, "dass unsere Arbeit weiter nötig sein wird". Man wisse ja auch nicht, wie es politisch weitergehe. Und bleibe bereit, falls doch wieder mehr Flüchtlinge kämen. Unklar sei konkret in Tutzing, wie es um das Theaterprojekt "Heimatgesichter" und dem "Teahouse" im Herbst dann stehe.

Beim monatlichen Treffen aller Helfer am kommenden Freitag hofft Goslich, dass sich Zeltdorfhelfer bereit finden, an drei kleineren Standorten Engpässe zu beheben, etwa auf der Rotkreuzalm. In der Unterkunft mit 40 Plätzen leben viele Senegalesen. Auch dort könnte es aber bald heißen, Abschied zu nehmen. Den Senegalesen droht die Abschiebung. Die Unterkunft im Andechser Hof wird ebenfalls aufgelöst, das alte Gasthaus soll saniert werden. Umzüge, Abschiebungen - mit dem Supervisor des Helferkreises soll das Abschiednehmen für die Helfer, die teils freundschaftliche Beziehungen zu den Flüchtlingen aufgebaut haben, thematisiert werden. Ebenso bei einem Sommerfest, das Pfarrer Peter Brummer plant.

Für die Initiative "Big", die seit kurzem sogar als gemeinnütziger Trägerverein "Big Tutzing" konstituiert ist, bedeutet die Umzugsankündigung eine niederschmetternde Nachricht. Organisationsentwickler Matthias Kraemer, Architekt Dieter Mruck und der Luft- und Raumfahrttechniker Georg Dietz hatten mit einer baldigen Baugenehmigung des Landratsamtes für den von ihnen entworfenen mobilen Sozialbau aus Holz gerechnet. Das Gebäude aus Holzelementen sollte ein Treffpunkt für die Zeltbewohner werden und der Bau in Eigenregie Asylbewerbern eine sinnvolle Beschäftigung verschaffen. Der Gemeinderat unterstützte das Projekt mehrheitlich und stellte 50 000 Euro im Haushalt ein. 40 000 Euro wollten die "Big" selbst mit Spenden und Sponsoren zusammenbringen. In der Tutzinger Schreinerei Schäfer konnten beteiligte junge Männer schon handwerkliche Erfahrung sammeln und einen Verbindungspunkt für den Bau im Maßstab 1 zu 1 herstellen. Ehrenamtliche Profis haben sie an Wochenenden in punkto Sicherheit und Materialien geschult. Was der Abbruch der Zeltstadt für das Projekt heißt, "ist derzeit unklar. Natürlich ist damit die Herstellung des sozialen Raumes, zumindest an diesem Ort, obsolet geworden", teilt Kraemer mit. Man habe für kommenden Dienstag eine Mitgliederversammlung des Unterstützervereins einberufen und werde "die für uns überraschende neue Lage beraten".

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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