Flüchtlinge:250 Deutschstunden für jeden

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Tanzen macht glücklich: Sichtlich Spaß hatten die Kinder bei ihrer Vorführung auf der Bühne in Gasthof zur Post in Aufkirchen. (Foto: Iradj Teymurian)

In Berg funktioniert die Arbeit mit Flüchtlingen nahezu reibungslos. Der Helferkreis hat 135 Mitglieder, ihr Vorsitzender Iradj Teymurian überlässt nichts dem Zufall. Wichtig ist ihm vor allem der Kontakt mit den Bürgern

Von Sabine Bader, Berg

Wer damit gerechnet hatte, dass 20 frustrierte Helfer im Hinterzimmer des Gasthofs zur Post über ihre Arbeit reden, dem sind am Mittwochabend im Gasthof zur Post in Aufkirchen schier die Augen übergangen. Der große Saal war gut voll mit mehr als hundert Besuchern. Der Vorsitzende des 135 Mitglieder zählenden Helferkreises, Iradj Teymurian, hatte ein straffes Abendprogramm ausgearbeitet, auf dessen minutengenaue Einhaltung er auch Wert legte. Nichts blieb dem Zufall überlassen. Und das war gut so, denn es machte deutlich, warum die Integrationsarbeit mit den 98 Flüchtlingen in Berg so gut und nahezu reibungslos funktioniert.

Dabei führt Teymurian kein strenges Regiment, aber ein strukturiertes. Der gebürtige Iraner, der selbst vor 53 Jahren als Fremder nach Deutschland kam, weiß, was es bedeutet, sich integrieren zu müssen. Er nennt die Berger Asylbewerber konsequent und liebevoll Gäste, und die anderen Helfer tun es ihm gleich.

Und weil Integration harte Arbeit ist, gibt es im Helferkreis auch klare Zuständigkeiten. Zum Beispiel die Arbeitsgruppe Sprache. "Die Sprache ist das A und O", sagt Michaela Luyken, die die Gruppe federführend leitet. Nur mit ausreichenden Sprachkenntnissen hat man eine Chance auf Bildung, Arbeit und Integration. Deshalb ist Luyken auch sehr stolz darauf, dass die angebotenen neun Sprachkurse der ehrenamtlichen Lehrer so viel Zuspruch finden. Sechs bis acht Teilnehmer hat jeder Kurs. Im Durchschnitt erhält jeder Flüchtling 250 Stunden Deutschunterricht. In dieser Zeit kann ziemlich viel vorangehen, vorausgesetzt man übt. Dafür gibt es 60 bis 70 Sprachpaten, die mit den Flüchtlingen außerhalb des Unterrichts fast ausschließlich deutsch sprechen. Das ist entscheidend, denn Übung macht bekanntlich den Meister. So mancher der Berger Asylbewerber besucht auch einen Intensivsprachkurs an der Volkshochschule. Die Kosten dafür hat der Helferkreis über Spendengelder finanziert. Für die Kinder und Jugendlichen gibt es täglich Hausaufgabenbetreuungen und Nachhilfe.

Auch Karl Morasch vom Helferkreis hat ganze Arbeit geleistet. Er hat es geschafft, 16 der Berger Flüchtlinge in Lohn und Brot zu bringen. Dafür bedurfte es viele Debatten mit der Ausländerbehörde, die zuweilen nicht wirklich vergnügungssteuerpflichtig waren. Das ließ Morasch am Rande seiner Ausführungen durchblicken.

Doch neben all dem Lernen und Arbeiten geht es den Berger Helfern auch um die Freizeitgestaltung. Peter Born bietet Sportkurse an - Volleyball, Kegelrunden und Wanderausflüge. Auch ein Taekwondo-Kurs steht auf dem Programm. Die Tanzpädagogin Lisa Lugo hat mit den Kindern einen wilden und wunderbaren Tanz einstudiert, den diese dem Publikum auf der Bühne der Post präsentierten. Überhaupt wird im Helferkreis großen Wert darauf gelegt, dass die Flüchtlinge möglichst viel mit den Berger Bürgern in Kontakt kommen. Sei es nun über die Schulen in Kempfenhausen, Buchhof und Biberkor, oder über Treffen mit den Nachbarn. Denn nur wen man kennt, den kann man verstehen.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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