Festival:Die Zügel in der Hand

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Das Kinderfilmfest Starnberg zeigt Ekrem Ergüns "Hördur"

Von Isabella Bauer, Starnberg

Es kann dauern, bis man die eigenen Stärken entdeckt und einen Sinn für Realität. Eine Vorstellung davon vermittelt das Fünfseen-Kinder- und Jugendfilmfest, in dem kleine und große Helden des Alltags ihren Platz haben. Das neue Schauspiel Starnberg stellte am Freitag Eigenproduktionen vor, die mit Kindern und Jugendlichen aus Starnberg gedreht worden sind; zum ersten Mal versuchten sich die Kids am Schauspiel. Am Tag zuvor, beim Film "Hördur", ging es ums Erwachsenwerden unter schwierigen Umständen. Regisseur Ekrem Ergün erzählt darin die Geschichte einer jungen Deutschtürkin. Die 17-jährige Aylin hat ihre Mutter verloren, sie kümmert sich beinahe allein um ihren kleinen Bruder Emre, während ihr Vater fast rund um die Uhr arbeitet, um die Familie über Wasser zu halten. Nach einer Schlägerei in der Schule wird Aylin vom Jugendgericht zu Sozialstunden verurteilt. Sie arbeitet auf dem Pferdehof der resoluten Iris. Dort macht sie Bekanntschaft mit dem wilden Islandpferd Hördur und entdeckt nicht nur ihre Leidenschaft für das Reiten, sondern auch ihre eigene Kraft.

Hördur ist das bewegende Porträt einer jungen Frau, die im Reiten einen Ausweg aus der harten Realität ihres Alltags findet. Der Film ist geeignet für Kinder ab zehn Jahren, hat aber das Potenzial, darüber hinaus auch ältere Besucher zu begeistern. "Hördur" ist ein leiser Film, der eindrucksvoll die Verzweiflung und Ausweglosigkeit beschreibt, die das Mädchen Aylin nach dem Tod der Mutter dazu bringen, die Kontrolle zu verlieren und gewalttätig zu werden.

Der Zuschauer freut sich mit Aylin, als sie auf dem Rücken von Hördur ihr Talent für das Reiten und ihre Liebe zu dem Pony entdeckt. Hördur ist das isländische Wort für Krieger. Regisseur Ergün zeichnet in diesem Sinne den Weg der jungen Kriegerin Aylin nach, die sich im Laufe des Films von einer resignierten Träumerin zu einer kämpferischen Realistin entwickelt. Zunehmend lernt Aylin, mit ihren Fehlern umzugehen. Und sie versteht, dass nicht jede Niederlage gleich zum Aufgeben führen darf.

"Hördur" ist nicht nur ein Muss für alle Reiter, die sich unweigerlich in das freche Islandpferd verlieben. Der Film schafft es darüber hinaus, eindringlich Probleme zu beschreiben, die über die bloße Ponyhofidylle eines Kinderfilms deutlich hinausgehen und empfiehlt sich dadurch auch für alle anderen. Junge Zuschauer bekommen einen Blick dafür, welche Schwierigkeiten Jugendliche unter der oberflächlichen Verschlossenheit verbergen.

"Hördur" regt zum Nachdenken über die eigenen Vorurteile an, mit denen man Menschen in der nächsten Umgebung begegnet, die nicht in ein vorgefertigtes Bild passen. Auch die aktuelle Aufgabe der Integration und die teilweise Hilflosigkeit ausländischer Familien in der deutschen Gesellschaft wird angeschnitten.

Das an fünf Orten spielende Kinofest bietet neben Filmvorführungen auch Diskussionen zu Themen wie Mut und Zivilcourage an. Heute findet das Festival mit der Präsentation von Kurzfilmen, die Starnberger Kinder selbst gemacht haben, seinen Abschluss. Die besten Filme werden mit einem Überraschungspreis geehrt, danach gibt es noch kostenlose Workshops rund um das Thema Film.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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