Feldafinger Ortsgeschichte:Vom Bahnhof zum Rathaus

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König Max II. gab den Anstoß für den Bau, Ludwig II. entschlackte die Pläne und Kaiserin Sisi nutzte den Bahnhof, um zur Sommerfrische zu kommen. Ein Buch dokumentiert jetzt anhand von vielen Bildern 150 Jahre Ortsgeschichte von der Blütezeit Ende des 19. Jahrhunderts bis heute

Von Otto Fritscher, Feldafing

Zehn Jahre hat es gedauert, bis das Werk vollendet war: Bereits 2006 hatte Heidrun Bshary angefangen, im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München nach Dokumenten und Urkunden über den Feldafinger Bahnhof zu suchen. Denn, so die Idee, eigentlich böte das historische Gemäuer genügend Stoff für ein Buch. Doch dann waren sie und andere Mitgliedern des Arbeitskreises Ortsgeschichte mit anderen Dingen beschäftigt. Das Projekt drohte einzuschlafen, bis im Herbst 2015 klar wurde, dass es kaum einen besseren Anlass für ein Buch geben würde als die 900-Jahr-Feier, die Feldafing vor wenigen Wochen begangen hat. "Das war eine hektische, anstrengende Arbeit", erinnert sich Herbert Lang, der neben Martina Graefe, der Gemeindearchivarin, zu den treibenden Kräften zu zählen ist, denen die Herausgabe des 120 Seiten starken Buches zu verdanken ist.

"Vom Bahnhof zum Rathaus" heißt es, und anhand der wechselhaften Geschichte des Bahnhofs lässt sich auch die Feldafinger Ortsgeschichte der vergangenen 150 Jahre sehr gut nachvollziehen. "Am schwierigsten war es, Text und Bild in ein ausgewogenen Verhältnis zu bringen", sagt Herbert Lang. Dem Vernehmen nach hat Bürgermeister Bernhard Sontheim für mehr Fotos und weniger Text plädiert. Diese Entscheidung tut dem Buch im Querformat gut, denn es ist sehr übersichtlich gegliedert, auch dank herausgehobener Zitate und der verschiedenfarbigen Seitenmarker, die sich auf die verschiedenen Epochen des Bahnhofs beziehen.

"Blütezeit, Verfall und neuer Glanz" haben die Autoren im Untertitel getextet. Für den Bau des Bahnhofs gab König Max. II den Anstoß, der bekanntlich eine Sommerresidenz im Lenné-Park errichten lassen wollte. Doch daraus wurde nichts, Ludwig II. ließ den Schlossbau, der über die Grundmauern nie hinausgekommen war, endgültig einstellen. Die Pläne für den Feldafinger Bahnhof wurden in der Folge verkleinert, nachdem kein König, sondern vor allem Münchner Bürger aus der Hauptstadt aufs Land kommen sollten. 1865 wurde das Gebäude eingeweiht.

Aber auch Kaiserin Sisi kam der Bahnhof zu Pass. Sie verbrachte viele Jahre ihre Sommerfrische im damaligen Hotel Strauch, im heutigen Hotel Kaiserin Elisabeth. Sie reiste standesgemäß mit einem Sonderzug an, für den eigens ein Fahrplan gedruckt und aufgehängt wurde. Elf Stunden 40 Minuten dauerte die Rückreise nach Wien, was an einem längeren Zwischenaufenthalt am Tegernsee gelegen haben soll, über dessen Grund nichts bekannt ist.

Bis zum Ersten Weltkrieg dauerte die Blütezeit des Bahnhofs, danach begann der Verfall, notwendige Renovierungen wurden aus Geldmangel unterlassen. In der Nazi-Zeit mussten KZ-Häftlinge das Baumaterial für die NS-Reichsschule von Güterwaggons abladen. Nach 1945 kam der Bahnverkehr in Richtung München und Oberland erst langsam wieder in Gang, wie aus den Tagebuchaufzeichnungen eines gewissen Feldafinger Bürgers namens Heinrich Zeckser, der 1978 starb, minutiös hervorgeht.

1971 wurde das Gebäude anlässlich der Einführung der S-Bahn und der Olympischen Spiele in München nochmals etwas aufgehübscht, aber als 1975 der Fahrkartenschalter geschlossen wurde, verlor der Bahnhof seine eigentliche Funktion. Es wurden Wohnungen für Bahnbedienstete eingerichtet, später kam dann ein Künstleratelier hinzu, und auch die Feldafinger Gemeindebücherei hatte hier ihre erste Bleibe. Die Gemeinde kaufte das Gebäude dann für 500 000 Euro.

2010 begann dann die Generalsanierung - es regnete schon durch das Dach herein. Und in einem Bürgerentscheid sprach sich die Mehrheit der Feldafinger für den Umbau des Bahnhofs in das neue Rathaus aus, das dann 2013 eingeweiht wurde. Mit großem Aufwand und viel Liebe zum Detail - aber auch mit hohen Kosten - wurde der historische Zustand möglichst wieder hergestellt, gleichzeitig aber die Funktionalität eines Rathauses berücksichtigt. Auch bei der Farbgebung wurde an das historische Vorbild angeknüpft, Braun, Rot und Terrakotta sind die vorherrschenden Farbtöne nicht nur am Gebäude selbst, sondern auch im Buch.

Zum Gelingen des Buches haben neben Herbert Lang und Martina Graefe auch Eva-Maria Herbertz als Lektorin und Heinz Biersack und Max Grünwald, alteingesessene Feldafinger als historische Berater beigetragen. Die drei haben das Buch auch x-mal Korrektur gelesen, und zum Leidwesen von Herbert Lang, der die Gestaltung übernommen hatte, 18 Mal umgeworfen. Aber auch der Architekt, der für den Umbau des Bahnhofs zum Rathaus verantwortlich war, Benedikt Sunder-Plassmann, und Petra Spreen, die Leiterin des Feldafinger Bauamts, haben viel Herzblut in den Renovierungsprozess, aber auch in das Entstehen des Buches, gesteckt.

Herausgekommen ist ein Rathaus, das zu den schönsten in Oberbayern gehört, wenn auch - der historischen Bausubstanz geschuldet - einige Nachteile wie kleine Büros und teilweise niedrige Decken in Kauf genommen werden müssen. "Vielleicht inspiriert das Buch andere Gemeinden, ihre leer stehenden Bahnhöfe auch wieder mit Leben zu füllen", schreibt Bürgermeister Bernhard Sontheim im Vorwort. Ein sehr gelungenes Buch. Es ist für 19,90 Euro im Rathaus zu beziehen, kann aber auch im Buchhandel bestellt werden.

Eigentlich gäbe es nächstes Jahr erneut ein Jubiläum in Feldafing, das es wert wäre, mit einem Buch gefeiert zu werden: Das Strandbad, eines der schönsten am Starnberger See, wird 90 Jahre alt. Es gehört der Gemeinde, und diese hat sich noch nicht geäußert, ob sie des Feierns müde ist, oder ob auch dieser Anlass genutzt werden soll.

© SZ vom 25.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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