Feldafing:Synthese mit viel nordischer Seele

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Bei ihrer musikalischen Arbeit: "Öström" spielten in der Reihe "Jazz am See" in Feldafing. (Foto: Arlet Ulfers)

Schwedisches Öström-Quartett stellt sein neues Album vor

Von Reinhard Palmer, Feldafing

Jazz aus dem hohen Norden kommt gut an: Das lässt sich wohl aus dem fast ausverkauften Bürgersaal in Feldafing folgern, wo "Jazz am See" das Quartett des Schlagzeugers Magnus Öström empfing. Drummer gehören ja eher zu den Mitspielern. Öström hat indes schon 2011 die erste Solo-CD mit Eigenkompositionen herausgebracht, die gleich mit einem Echo Jazz ausgezeichnet wurde. Nun stellte der Schwede sein drittes, wenige Monate junges Album "Parachute" vor, dem wohl ebenso ein großer Erfolg bevorsteht.

Die Musik des Öström-Quartetts lässt sich in keine Schublade stecken. Jazzrock könnte vielleicht darüber stehen, doch gerade in den Balladen steckt viel nordische Seele, die auf Liedgut der Skandinavier verweist. Jede Menge Tradition also, aber ebenso viel Avantgardistisches mit reichlich elektronischen Hilfsmitteln. Dass beides eine erfolgreiche Synthese eingehen kann, ist dem eigenwilligen Musikstil des Ensembles zu verdanken. Es setzt als wirkungsvollstes Mittel überraschende Wendungen um 180 Grad ein - ohrenbetäubende Klangfluten oder experimentelles Durcheinander mündet schlagartig in Klarheit, Transparenz, geordnete Harmonik und einfühlsame Melodik. Ein Schlag stellt alles auf den Kopf: Das bezeugt die musikalische Denkweise eines Schlagzeugers. Doch ansonsten beherrschen die Stücke weite Entwicklungen, die in winzigen Schritten vorangehen.

Die Kompositionen begannen in der Regel mit reduziertem Material; in den Balladen meist mit solistischem Intro, schlank und klar konturiert. Auf dem Höhepunkt schwollen sie zu gewaltigen Klangfluten an, beherrscht von endlos wiederholten ostinaten Figuren und weite Melodien ziehenden Oberstimmen mit viel Hall und Keyboard. Und zwar bis zur Ekstase in die Länge gezogen, bis der geordnete Rückzug meist über Auflösungserscheinungen erfolgte und eine wirre Kakophonie alles Schönmusikalische verdrängte. Synthesizer-Sound half, von gewohnten Klangbildern ins Fremdartige abzurücken.

Dieses Vorgehen basierte darauf, dass sich Öström auf seine Mannen absolut verlassen konnte. Bassist Thobias Gabrielson zupfte nur wenige Male die Saiten, meist simulierte er den Bass am Keyboard, wo er auch selbstkreierte Klänge zur Auflösungskakophonie beisteuerte und avantgardistische Klangszenarien entwarf. Auch Daniel Karlsson am Keyboard beteiligte sich daran und setzte zudem bei den ekstatischen Intensivierungen imposante Ausrufezeichen an der Orgel. Andererseits war er für die balladeske Poesie zuständig, die immer wieder aus der nordischen Seele hervorbrach. Gitarrist Andreas Hourdakis vermochte diesen Gesang ebenso einfühlsam und intensiv mit lang gezogenen Tönen anzustimmen. Dabei arbeitete er meist mit viel Hall, was er für die Klangfluten auch gut brauchen konnte. Bisweilen aber verschlankte er seinen Einsatz, um mit trockener Schärfe auf die filigrane Schlagzeugmaschinerie einzugehen. Öström betonte an seinem Instrument die kleinen, scharfen Notenwerte und verdoppelte nicht selten den Takt zu einer überaus dichten Geräuschtextur. Sie verlieh der Musik zusätzlich Intensität. Das tat seine Wirkung: Frenetische Ovationen und eine ausgedehnte Zugabe.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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