Feldafing:Lyrische Internationale

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Ungewöhnliches Instrument: Germàn Díaz mit seiner Drehleiher. Dieses Instrument, das so fremdartig klingt, wie es aussieht, gibt es seit 1000 Jahren. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der spanische Dichter Juan Andrés García Román und die Gruppe Alpen Klezmer, die derzeit in der Villa Waldberta wohnen, geben Einblick in ihre Kunst

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Feldafing

Wenn der Schnee taut, ist Frühlingsbeginn. Dass ist nicht weiter überraschend. Überraschend ist jedoch, wie ein Spanier den Frühling in Bayern erlebt. Der Lyriker Juan Andrés García Román, der durch die Vermittlung des Instituto Cervantes derzeit als Stipendiat in der Villa Waldberta in Feldafing wohnt, erlebt den Frühling auf seine ganz eigene Art. Der Schnee wird zur Braut, die so weiß ist, wie Marmor. Auf einem Schal begibt er sich auf die Suche nach einem Garten im Weltraum. In seinen Träumen von Gesternnacht wandelt er durch ein zehn Kilometer langes Tunnellabyrinth bis zu einer Traumkathedrale. Román entwickelt geradezu surreale Gedankengänge, seine Sätze erscheinen als willkürlich gewählte Aneinanderreihung von Wörtern. Sie sind gegensätzlich und skurril, sind reine Fantasie.

Es ist die Melodie dieser symbolträchtigen Sprache, die beeindruckt. Und wenn der Zuhörer kein Spanisch beherrscht, muss er sich alleine auf die Ausdruckskraft der fremden Sprache verlassen, auf die Melodie des Satzbaus, auf den Klang der Stimme, auf Gestik und Mimik und auf die Assoziationen, die dadurch ausgelöst werden. Die Gedichte und Texte, die der Lyriker und Übersetzer Juan Andrés García Romàn auf dem Kulturfest "Castilla meets Alpen Klezmer" in der Villa Waldberta vortrug, regten die Besucher zum Nachdenken über die eigenen Seelenzustände an, über das Leben an sich und seine Vergänglichkeit. Was ist Traum, was ist Wirklichkeit? Realistische Texte können langweilen, ist Romàn überzeugt. Nur in der phantastischen Welt finde er Erholung. Der Lyriker spielt mit der Sprache. "Die Metapher ist der Ort des Dichters", sagt er. Der einzige Wermutstropfen war, dass die Lautsprecheranlage nicht bis zu den hinteren Reihen reichte und die Übersetzung von Manfred Boes nur sehr schlecht zu verstehen war.

Die weniger fantasiebegabten Zuhörer hatten daher Schwierigkeiten sich fallen zu lassen, um in diese kuriosen Geschichten einzutauchen. Einige verließen die Veranstaltung vorzeitig. Es herrschte ein Kommen und Gehen. Für jene Zuhörer indes, die die von Romàn mit fein modulierter Stimme vorgetragenen Texte zum Anlass nahmen, um ihren eigenen Gedanken nachzuhängen, war der Abend der reine Kulturgenuss. Sie konnten alles auf sich einwirken lassen und sich ganz der Musik hingeben, die der Drehleierspieler Germàn Díaz dazu spielte. Dieses urwüchsige Instrument, das so fremdartig klingt, wie es aussieht, gibt es seit 1000 Jahren. Der mehrfach ausgezeichnete Musiker Díaz tritt mit diesem wunderschön verarbeiteten, klangintensiven Instrument weltweit auf.

Es sind schwermütige Melodien, die stets mit einem Grundton beginnen. Dann kommen andere Klangkomponenten und der Rhythmus hinzu. Christian Dawid, der ebenfalls Stipendiat in der Villa ist, schließt sich mit seiner Klarinette an. Die einfühlsame und melancholische Musik ist ebenso wie Romàns philosophische Texte schwer verdauliche Kost. Dass es auch optimistisch und heiter geht, bewies die Gruppe Alpen Klezmer nach der Pause. Die Münchener Sängerin Andrea Pancur, die für ihre Mischung aus alpenländischer und jiddischer Musik den Innovativpreis für Volkskultur erhalten hat, beeindruckte mit einem Stimmvolumen voller Inbrunst und Kraft. Manchmal allerdings wollten die tiefgründigen Texte gar nicht zur temperamentvollen Musik passen, wie etwa bei dem Lied um ein Flüchtlingsdrama im Mittelmeer. Die ganze Welt schaut zu und spielt Blinde Kuh, heißt es da beispielsweise. Laut Karin Sommer, Leiterin der Villa Waldberta, haben Pancur und ihre Alpen Klezmer-Gruppe einen festen Stamm an Fans, die bis aus München nach Feldafing kamen, um diese musikalische Verbindung über nationale Grenzen hinweg zu hören.

© SZ vom 28.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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