Feldafing:Leichtfüßig tiriliert

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Das Bayerische Staatsorchester mit Kirill Petrenko gastiert in Feldafing

Von Berthold Schindler, Feldafing

Bis knapp zehn Minuten vor Konzertbeginn musste der Klavierstimmer in der Feldafinger Heilig-Kreuz-Kirche Schwerstarbeit verrichten, galt es doch, den Flügel für eine ganz besondere Aufführung zu präparieren: Das Bayerische Staatsorchester unter Kirill Petrenko sowie die Münchener Pianistin Margarita Höhenrieder gaben sich auf Einladung der Nachbarschaftshilfe "Jeder für Jeden" die Ehre. Auf dem Programm standen Beethovens Klavierkonzert No. 4 und die Haffner-Sinfonie von Wolfgang Amadeus Mozart. An der Stimmung gab es nichts auszusetzen, auch bei im Vergleich zu einem Theater- oder Konzertsaal kühleren Temperaturen blieb die Intonation bei Solistin und Orchestermusikern tadellos sauber.

Los geht es mit Beethoven und dem Allegro moderato, wobei das Allegro sozusagen von der Pianistin übernommen wird, während dem Orchester eher gemäßigtes Temperament - moderato - vom Komponisten zugedacht wird. Höhenrieder, Professorin an der Musikhochschule in München, stürzt sich mit Verve in die Läufe. Technisch astrein erklingen sowohl die Terzabgänge als auch die Koloraturnoten deutlich hörbar voneinander abgesetzt, ohne dass der Legatobogen verloren geht. In den vielen symphonischen Abschnitten tiriliert sie leichtfüßig über dem Orchesterklang, sanfte Flötentöne beantwortet sie wuchtig mit Arpeggiogeröll.

Das Staatsorchester hingegen, anders als an seinem sonstigen Arbeitsplatz im Orchestergraben des Nationaltheaters auf Podesthöhe prominent platziert, zeigt sich bestens aufgelegt als homogener Klangkörper mit herausragender Qualität auch in philharmonischem Kernrepertoire abseits von Gesang, Libretto und Regie; den Gütenachweis liefern sie vom ersten Satz an, wo sie als Ruhepol gegenüber den bisweilen stürmischen Tastenläufen besonders im ausgewogenen Zusammenklang zwischen warmen Streichern und der weich spielenden Bläsergruppe überzeugen.

Intensiviert wird das Zwiegespräch zwischen Tasteninstrument und Orchester in Satz zwei. Ein bedeutungsschwangeres Tutti-Unisono beantwortet das Piano Solo nur zögerlich, verhalten bewegt sich die Melodie von Akkord zu Akkord, ehe erneut das forsche Unisono dazwischengrätscht. Der Dialog gewinnt an Reiz, indem sich das Soloinstrument allmählich freispielt und der vielköpfige Partner beginnt, zuzuhören, als würde er in einem Streit einlenken und Gesprächsbereitschaft zeigen. Das Finale Rondo Vivace entwickelt sich aus einem vorfreudigen Pianissimo hin zu einem heiteren Forte, es triumphieren die Geigen, und wo in den ersten beiden Teilen die Harmonien noch unruhig changieren, etabliert sich erstmals stabil das der Komposition vorangestellte G-Dur. Die Musiker zeichnen ein Bild pastoralen Friedens, ehe die Pauke mittun darf, Margarita Höhenrieder den Turbo zündet und Petrenko, sonst ganz die Ruhe selbst, plötzlich zu tänzeln beginnt. Beethovens reiche Musik lässt gegen Ende auch Platz für Humor, nur kurz führen ein Schein-Morendo und scheinbar schüchterne Pizzicati den Hörer in die Irre, ehe das Forte im Tutti juchzend das Stück beschließt.

Von jenem wiederum kommt die Symphonie 35 zur Aufführung, die in Erinnerung an den Auftraggeber die Haffner-Symphonie genannt wird. Die Symphonie dient in Ermangelung kompositorischer Höhepunkte weniger zur Schaustellung mozartschen Genies, denn vielmehr als Anschauungsstück für die außergewöhnliche Klasse von Orchester und Dirigent. Natürlich darf sich der künftige Chef der Berliner Philharmoniker glücklich schätzen, mit dem Bayerischen Staatsorchester über ein Ensemble zu verfügen, das mit seiner ungeheuren Flexibilität im Klang und spieltechnischer Finesse seinem Leiter alle Möglichkeiten gewährt.

Allerdings weiß Petrenko diese nicht nur zu nutzen, sondern er treibt sein Orchester zu Spitzenleistungen, dies freilich mit denkbar schlichter Gestik: Sein Dirigat ist klar, schnörkellos, die Verwaltung des Notentextes ebenso gewissenhaft wie die präzisen Einsätze, wobei der Russe es andererseits versteht, großzügig Musik und Musiker atmen zu lassen - darin liegt die Meisterschaft, Pflicht mit Kür nur dem Augenschein nach mühelos zu verbinden.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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