Feldafing:(K)eine Buchvorstellung

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Anekdoten über Doldinger und Drews: Siggi Loch streift sein Buch "A Life In The Spirit Of Jazz" nur am Rand. (Foto: Arlet Ulfers)

Musikmanager Siggi Loch plaudert in Feldafing lieber über sein Leben

Von Armin greune, Feldafing

Eigentlich wollte Siggi Loch ja sein neues Buch vorstellen - doch "A Life in the Spirit of Jazz" erwähnt er an diesem Abend nur kurz zu Beginn. Es sei eher ein Bilderbuch geworden, sagt der Autor, deshalb wird die Auftaktveranstaltung zum Winterprogramm von "Jazz am See" auch keine Lesung. Und wer erwartet hatte, dass Loch das eine oder andere Stück vom mit dem Buch erschienenen Doppelalbum anspielt, liegt ebenso falsch. Die beiden CDs zeigen einen Querschnitt des Wirkens des Musikmanagers und Jazzfans. Abgesehen von "Summertime" mit Sidney Bechet hat Loch alle Aufnahmen produziert: Dave Brubeck und Gerry Mulligan, John Lee Hooker und die Spencer Davis Group, Nils Landgren und Esbjörn Svensson. Jürgen Drews, Achim Reichel, Katja Ebstein und Ideal sind auf den Scheiben zwar nicht vertreten - aber auch die hat Loch unter seine Fittiche genommen, ebenso wie die Krautrock-Legenden Amon Düül und Can.

Buch und Tonträger hat sich der vielfach ausgezeichnete Produzent und "begnadete Musikmanager (Klaus Doldinger) zum 80. Geburtstag geschenkt. Seine Biografie habe er ja schon zum 70. verfasst und so plaudert er nun in Feldafing einfach darauf los und erzählt, wie er "60 Jahre lang im Land der Töne gewirkt hat". Loch gelingt es sofort, sein Publikum nur mit seinen Erzählungen zu unterhalten, hebt allenfalls mal eine Platte hoch. Fast eineinhalb Stunden spricht er frei, ohne auch nur einmal das Buch oder einen Spickzettel zu Rate zu ziehen, ohne Hänger oder Versprecher. Fasziniert folgen die Zuhörer seiner mit Charme, Witz und Eloquenz vorgetragenen Lebensgeschichte vom ersten Jazzkonzert 1956 bis zum "traurigsten Punkt": 2012 erfuhr er vom Unfalltod des Ausnahmepianisten Esbjörn Svensson, den Loch mit seinem act-Label zu weltweitem Ruhm verholfen hatte. Aber es gibt auch heitere Anekdoten: etwa wie Loch Jürgen Drews in "Ein Bett im Kornfeld" drängen musste. Der Sänger wollte nie ein Schlagerstar werden, sondern englische Songs interpretieren. Und Drews versenkte nach seinem Riesen-Hit umgehend 500 000 Dollar in den USA für erfolglose Plattenaufnahmen.

"Ich gehe an keinem Hit vorbei" - das war lange Lochs Lebensmotto. Acht Jahre lang etwa saß er als Präsident von Warner Europe in London, doch seine Leidenschaft galt stets dem Jazz. Als 15-jähriger "Gate Crasher", also ohne Eintritt zu bezahlen, stahl er sich bei einem Auftritt von Sidney Bechet in die Halle: Dessen Saxofonspiel habe ihn "getroffen wie ein Blitzschlag." Ebenso prägend für seine Biografie waren die Begegnungen mit Klaus Doldinger, dessen Quartett er 1962 die erste Plattenaufnahme ermöglichte. Die zweite LP, wieder von Loch produziert, wurde die erste Jazzplatte eines deutschen Musikers, die Philips weltweit vertrieb.

Die Wege des Ickinger Saxofonisten und des Produzenten, der lange in Feldafing gelebt hat, kreuzten sich immer wieder - auch an diesem Freitag, als Doldinger mit Familie bei Lochs Buchvorstellung zu Gast ist: "Ohne seine Begeisterung wäre ich wohl woanders und nicht beim Jazz gelandet", sagt der Musiker. Zum Dank trägt er ein spontanes Ständchen mit dem Tenorsax vor - und so kommt auch das Publikum am Ende doch noch in den Genuss von Live-Musik.

© SZ vom 21.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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