Feldafing:In Scheiben geschnitten

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Spanische Architekten zeichnen einen kühnen Entwurf für die Entwicklung des Kasernengeländes in Feldafing nach dem Abzug der Bundeswehr. Damit gewinnen sie den Europan-Wettbewerb

Von Otto Fritscher, Feldafing

Es ist ein großer Titel: "The adaptable city", also die anpassungsfähige oder die anpassbare Stadt. Nichts weniger als das sollten die jungen Architekten aus zwölf europäischen Ländern entwerfen, die sich am Europan-Wettbewerb beteiligt haben. Als Objekte dienten in Deutschland acht Städte und Gemeinden, in denen die Bundeswehr ihre Standorte auflösen wird. Was tun mit den oft hektargroßen Militärflächen, wenn die Soldaten abgezogen sind und die Areale neu beplant und genutzt werden sollen? Das ist die Frage, die von den Architekten beantwortet werden musste. Einer der acht deutschen Standorte, das ist - neben etwa Gera, Selb, Landsberg und Schwäbisch Gmünd - Feldafing, wo die Kaserne 2019 aufgelöst werden soll.

Und es ist ein kühner Plan, den Pablo Allen und Elisabeth Garcia Asensio, zwei spanische Architekten, entwickelt und damit den Wettbewerb gewonnen haben: Scheibchenweise, streng in geometrische Rechtecke geteilt, soll nach den Vorstellungen der Architekten die Entwicklung der Fläche angegangen werden. Ausgangspunkte sind dafür jeweils die sechs Sturmblockhäuser, die unter Denkmalschutz stehen, sowie das heutige Mannschaftscasino. Von der Gebäudeausrichtung ausgehend, haben Asensio und Allen Rechtecke mit südöstlicher Ausrichtung gezeichnet, die sich bis zur Staatsstraße hinziehen, die das Kasernenareal vom Lenné-Park trennt. Genauso innovativ ist die Architektur: Die Gebäude schmiegen sich mit völlig unterschiedlichen Dachformen und -neigungen nahezu unauffällig in die Hangkante, die Richtung See hinunter sanft abfällt.

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(Foto: oh)

So schön kann die Zukunft sein: Den "magischen Park von Feldafing" haben spanische Architekten aus dem Areal der Fernmeldeschule entwickelt.

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(Foto: oh)

Die Architekten Elisabeth Garcia Asensio und Pablo Allen (in der Mitte), flankiert von Bürgermeister Bernhard Sontheim und Karin Sandeck.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die heutige Wache an der Führungsunterstützungsschule.

Auch für die Sturmblock-Häuser, die von den Nazis für ihre einstige Eliteschule gebaut worden sind, gibt es bereits erste Ideen für eine künftige Nutzung: Man könnte jedes Gemäuer aufteilen in vier bis fünf Einfamilienhäuser. Den nördlichen Teil des Geländes, auf dem gegen Ende 2016 mit dem Neubau des Benedictus-Krankenhauses begonnen werden soll, haben die Architekten als große, zumeist grüne Fläche für die Allgemeinheit konzipiert, die die Durchlässigkeit zum "alten", schon bestehenden Feldafing betonen soll.

"Das ist wirklich eine revolutionäre, faszinierende Ideenfülle", sagt Bürgermeister Bernhard Sontheim. "Wir wollten etwas Einzigartiges haben, ein Projekt, das sich nur in Feldafing verwirklichen lässt, und das haben wir mit dem Siegerentwurf bekommen." Ein Entwurf, der sich zudem an die Vorgaben des Gemeinderats hält: Das 35 Hektar große Areal der Fernmeldeschule der Bundeswehr, wie die Feldafinger die "Führungsunterstützungsschule" nennen, soll über einen langen Zeitraum hin entwickelt werden. Sontheim geht von "20, vielleicht auch 30 Jahren" aus. Alles andere würde Feldafing, das 5000-Einwohner-Dorf, überfordern. Dann soll der campusartige Charakter des Geländes, auf dem sich auch diverse Biotope befinden, gewahrt werden. Und für die Nutzung ist nach den Vorstellungen der Gemeinde ein Mix aus Forschung und Lehre, universitären Einrichtungen, aber auch hochwertiges Gewerbe und Wohnen vorgesehen.

Kaskadenartig fügen sich die möglichen Gebäude in die Hangkante ein. (Foto: oh)

Die Grundidee des Europan-Wettbewerbs ist es, dass junge Architekten aus verschiedenen europäischen Ländern sich mit Konversionsflächen beschäftigen - also Kasernenareale, die die Bundeswehr aufgibt, und die zivil genutzt werden sollen. Die ausländischen Architekten haben ein offenen Blick, unberührt von lokalen Interessen. Einen Preis vergibt eine internationale Jury, der andere ist ein sogenannter Ankaufpreis, der sich durch bestimmte kühne Ideen von den anderen Entwürfen abhebt. Im Falle von Feldafing waren sich lokale Jury, die es noch zusätzlich gibt, und zu der die drei Bürgermeister Sontheim, Anton Maier und Roger Himmelstoß gehörten, und die hochkarätig besetzte internationale Jury einig: Der beste Entwurf ist der "Forerst to rest", den die beiden spanischen Architekten Allen und Asensio entworfen haben. Der Ankaufpreis ist das Projekt mit dem Titel "The magic park of Feldafing - auch für dieses sind spanische Architekten verantwortlich. Javier Castellano Pulido, Tomas García Píriz, Juan Antonio Serrano García, Paloma Baquero Masats und Sergio Àlvarez García hatten eine sehr ungewöhnliche Idee: Als sie durch Feldafing fuhren, um sich mit dem Ort vertraut zu machen, hatte ein starker Sturm allerlei Geäst von den Bäumen gefegt, und der Windbruch lag kreuz und quer in der Gegend herum.

Dies brachte die Architekten auf die Idee, auch die Gebäudekörper auf dem Kasernenareal "vogelwild anzuordnen", wie Bürgermeister Sontheim sagt, ohne erkennbares System. Der Lenné-Park, heute größtenteils ein Golfplatz, muss mächtig Eindruck gemacht haben auf die Spanier, denn sie nannten ihren Entwurf "The magic park of Feldafing". Zwischen den mit leichter Hand hingeworfenen Gebäuden ziehen sich in ihrem Entwurf Laubengänge, alles ist Grün. Ob diese Idee allerdings den wirtschaftlichen Realitäten und dem Vermarktungsdruck standhalten könnte? Wohl kaum. "Aber auch dieser Plan hat uns begeistert", sagt Sontheim, der bei der Preisverleihung in Berlin dabei war.

Die sechs Sturmblockhüuser (links) sind die Eckpunkte im Siegerentwurf. (Foto: oh)

Wie geht es nun weiter? Im Januar wird sich der Feldafinger Gemeinderat an einem Klausur-Wochenende mit den Plänen befassen. Dann sollen die Bürger informiert werden, und Pablo Allen und Elisabeth Garcia Asensio sollen nach Feldafing kommen, um ihre Ideen zu verdeutlichen. So weit haben es die beiden Architekten dann doch nicht: Sie haben ihr Büro in Köln und sprechen auch deutsch. "Wir wollen im nächsten Jahr beginnen, einen Flächennutzungsplan und Bebauungspläne zu entwickeln", kündigt Sontheim an. Denn wenn die Bundeswehr wirklich im Jahr 2019 abziehen sollte - so der aktuelle Terminplan -, dann soll das Konzept klar sein.

Was dann allerdings von den kühnen Plänen des spanischen Architekten-Duos tatsächlich umgesetzt wird, das ist eine andere Frage. Vermutlich wird das Konzept nicht eins zu eins realisiert, sondern an bestimmten Stellen verändert. "Aber klar ist, dass wir hier eine große Chance für die Entwicklung von Feldafing haben", sagt Sontheim. Vielleicht wird der Ort dann doch wieder "die Perle am See".

© SZ vom 31.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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