Feldafing:Flirrendes Cello

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Zum Auftakt der Saison von Jazz am See experimentiert das Trio um Henning Sieverts mit Symmetrie

Von Reinhard Palmer, Feldafing

"Symmethree" heißt das Projekt, mit dem das Trio um den Kontrabassisten und Cellisten Henning Sieverts jetzt die Konzertsaison von Jazz am See in Feldafing eröffnet hat. Der Titel ist Programm, auch optisch: Bildete doch Sieverts mit seinen langhalsigen Instrumenten die Achse, an der sich Posaunist Nils Wogram und Gitarrist Ronny Graupe musikalisch spiegeln konnten. Weit wichtiger war natürlich der Klang der Symmetrien, dem Sieverts in seinen Kompositionen auf vielfältige und überaus komplexe Weise immer wieder überraschende Effekte abgewann.

Ob in Rhythmus, Thematik, Anordnung der Motive, Dramaturgie, Struktur oder harmonischem Gerüst: Das Prinzip der Symmetrie war eher selten vordergründig herauszuhören. Aber das war auch gar nicht nötig, denn Symmetrie ist ein ebenso unbewusst wahrnehmbares Phänomen und beschäftigt die Menschheit seit den frühsten Kulturen. Wie weit die musikalische Auseinandersetzung mit der Symmetrie im Abendland zurückgeht, präsentierten die drei Musiker in einem Chorsatz vom französischen Meister des 14. Jahrhunderts Guillaume de Machaut, dessen komplexe Harmonik, Isoperiodik und Isorhythmie gleich mehrere Jahrhunderte in die Zukunft wiesen. Das Stück konnte sich im avantgardistischen Programm absolut behaupten, verriet im Grunde nur durch seine reiche Polyfonie sein Alter.

Sieverts Kompositionen waren strenger gefasst und ausgesprochen kammermusikalisch. Der gestalterische Reichtum ergab sich vielmehr aus den rhapsodischen Entwicklungen. Nicht selten begannen die Stücke, so etwa mit gestrichenem Cello in "Flou" (franz. unscharf), mit einem Unisono-Spiel, das trotz seiner in jeder Hinsicht sehr freien Form stets durch Präzision im Zusammenspiel bestach. Mit teils sich an der Thematik reibenden, oft auch mikrotonalen Abweichungen begannen sich die einzelnen Stimmen langsam selbständig zu machen. Rhythmische, metrische und harmonische Verschiebungen entfernten sich allmählich von der klaren Linie, durchaus gewagt bis zur atonalen Kakofonie. Dann konnte es aber auch plötzlich sehr empfindsam werden, wie etwa aus dem atmosphärischen Klangteppich von "Full moon, new moon" hervorgegangen. Kraftlose Andeutungen und Klangspuren, bei "In the symmetrical mood" wie ein fernes Echo, nahmen einen sinnlichen Charakter an. Einen besonderen Reiz entwickelten klangexperimentelle Passagen: Sieverts ließ das Cello flirren oder zupfte den Bass mit Scat-Gesang. Graupe drehte den Verstärker weit runter, um das metallische Klirren der sieben Saiten seiner halbakustischen Gitarre durchdringen zu lassen. Geklopfte Töne, Flageolett oder einfach nur virtuoses Rasen über die Saiten brachten fesselnde Effekte ins Spiel. Mit diversen Blastechniken, teils unter Stimmeinsatz, sorgte Posaunist Wogram immer wieder für sinnenfreudige, bilderreiche Passagen.

Die Wandlungen in der Dramaturgie der Stücke konnten sehr vielfältig sein, mal swingend, mal bebop-mäßig hastend oder rhythmisiert fließend. Die kraftvollsten Varianten zeigten sich sperrig, wie etwa in "Twenty-one", wo sich die polymetrische Gegenüberstellung von Dreier- zur Siebener-Metrik (später spiegelverkehrt) kantig gegen alles Fließende stemmte. Umso wirkungsvoller erklangen schon mal - etwa in der melancholischen Ballade "Beuron" - wogende Melodien, die in der kurzmotivischen, oft repetitiven Unruhe sehr wohlig daherkamen. Begeisterter Applaus und eine klanglich substanzvoll abgerundete Zugabe.

© SZ vom 26.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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