Reif für die Insel:Der Fährmann geht

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"Irgendwann muss Schluss sein", sagt Norbert Pohlus. Im Herbst hört er auf, Besucher auf die Roseninsel und zurück aufs Festland zu bringen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Norbert Pohlus erkennt man schon an seinem Strohhut und an Dackelhündin Lilli. Pohlus ist eine Institution, seit zwölf Jahren chauffiert er Besucher mit seiner Plätte auf die Roseninsel. Im Herbst ist es damit vorbei

Von Manuela Warkocz, Feldafing

Wer zur Roseninsel hinüber will, läutet am Feldafinger Steg die Glocke. Bald gleitet gemächlich das Elektroboot "Roseninsel" heran. Fährmann Norbert Pohlus erkennt man schon von weitem an seinem hellen Strohhut. Am Steg klappt er das metallene Fallreep herunter, Rauhaardackel Lilly hoppelt an Land. Der Fährmann mit Shorts und Sonnenbrille bittet an Bord. Unter einem schattigen Baldachin rücken auf zwei Holzbänken bis zu 30 Gäste zusammen. Dann wird kassiert. Vier Euro für Hin- und Rückfahrt zum 200 Meter entfernten Eiland. Pohlus verstaut den Obulus im antiken hölzernen Kasten, Lilly rollt sich unter die Bank, Pohlus legt ab. Im kleinen Bogen steuert er durch die blaugrünen Wellen. Den Passagieren gibt er in geübtem Singsang einen Kurzabriss über 6000 Jahre Inselgeschichte - von den Pfahlbauten über Ludwig Zwo bis zur Ernennung zum Weltkulturerbe vor vier Jahren. Höchstens fünf Minuten. Schon ist man gelandet im Reich der Rosen und Pfauen. 33 Jahre lang setzte Pohlus zur Roseninsel über, mehr als 100 000 Fahrten. Diesen Herbst ist Schluss.

SZ: Herr Pohlus, für viele gehören Sie zur Roseninsel wie einst der König. Warum hören Sie denn auf?

Ach, wissen'S, ich bin jetzt 68. Irgendwann muss ja Schluss sein. Es war schon vergangenes Jahr klar , das 2015 unser letztes Jahr sein wird. Nach einem schwerem Schicksalsschlag ist es auch gut so.

Was ist denn passiert?

Vor fünf Monaten ist meine liebe Frau gestorben. Ganz plötzlich, an Gehirnhautentzündung, im Urlaub auf Teneriffa. Da haben wir viele Jahre zwei, drei Monate lang überwintert. Das nimmt mich sehr mit. Ich hab' schon zehn Kilo abgenommen. Nächstes Jahr hätten wir Silberne Hochzeit gefeiert. Sicher hier auf der Insel. So wie nach unserer Trauung. Jetzt fehlt die Ernie an allen Ecken. Sie hat nicht nur das Fährbüro gemacht, sondern auch das Catering auf der Insel für Hochzeiten. Ich habe gute Aushilfskräfte, aber es bleibt halt doch viel an mir hängen.

Sie haben den Betrieb ja 2003 von der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung gepachtet, als die Insel offiziell wieder zugängig wurde. Seitdem fahren Sie vom 1. Mai bis 15. Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr. Wie oft am Tag?

Das hängt natürlich vom Wetter ab. Bei Regen sind es vielleicht nur fünf bis zehn Fahrten am Tag. Letztes Jahr, als es Anfang Oktober sogar geschneit hatte und ich trotzdem da sein musste, kam nur ein einziger Fahrgast. Aber zur Hochsaison, also bei der Rosenblüte von Mitte Juni bis Ende Juli können es schon 35 Fahrten am Tag sein. Und wir haben ja auch etwa 70 Hochzeiten im Jahr, seitdem man sich im Casino trauen lassen kann. Dazu Konzerte und ander Veranstaltungen, zu denen ich die Gäste bringe. Alle in allem rund 40 000 Besucher im Jahr.

Früher ging's ruhiger zu, als sie angefangen haben, oder?

Sicher. Da war ich im Außendienst unterwegs und hab nur nebenher bei schönem Wetter meinem Bruder Günther geholfen. Der hat die Leut' in den 70er Jahren mit einer Plätte rübergerudert. Da gab's noch den Inselwilli. Und es wurde schon mal kräftig gefeiert.

Sie wurden dann bayerischer Gondoliere.

Ich hab halt gesungen, das hat den Leuten gefallen. Ein Bekannter hat mir extra Lieder über die Roseninsel geschrieben, manches hab ich selbst gedichtet. Ab 2003 bin ich dann auf das Elektroboot umgestiegen. Das Singen hat da nicht mehr so gepasst.

Ist Ihnen dieses Hin- und Hergeschippere auf immer der gleichen Strecke nicht langweilig geworden?

Nein! Am See ist kein Tag wie der andere. Selbst nach so langer Zeit gibt's Überraschungen. Mal kommt ein Wetterumschwung, dann hast du so eine sagenhafte Gewitterstimmung über dem See - berauschend schöne Bilder.

Aber dann wollen alle auf einmal runter von der Insel, oder?

Da gibt's schon mal Gedränge. Aber manchmal musst du einfach warten, wenn die Sturmwarnung losgeht, die Windböen peitschen und das Wasser aus dem See rausfliegt. Dann schicken wir die Leuteeinfach ins Museum. Das verstehen die meisten schon.

Gefährliche Situationen?

Nur einmal, mit der Gondel. Das war knapp. Mir ist das Ruder gebrochen. Der Sturm hat mich in die Binsen getrieben.

Wer wird jetzt Ihre Aufgabe übernehmen?

Das ist noch alles offen. Gerade werden die Bewerbungen geprüft.

Und was machen Sie nach Ihrer letzten offiziellen Fährmann-Saison?

Mit meiner Frau hatte ich ja schon Pläne für den Ruhestand. Jetzt muss ich im Herbst erstmal zur Ruhe kommen, den Sohn in Berlin besuchen. Vielleicht mal zum Baden. Und eventuell manchmal aushelfen, wenn's vom Nachfolger gewünscht.

© SZ vom 05.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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