Feldafinger Wortgefechte vor dem Bürgerentscheid am 19. Juli:Aus der Luft gegriffen

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Feldafing vor der Abstimmung über die Bürgerentscheide am 19. Juli: Befürworter des Klinikneubaus und Verfechter einer Gesamtplanung für das Kasernenareal liefern sich Wortgefechte. Dabei nimmt man es mit dem Wahrheitsgehalt nicht immer so ganz genau

Von Otto Fritscher, Feldafing

Es wird nicht gekleckert in Feldafing, sondern geklotzt. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Zum Beispiel, wenn man sich eine Videoanimation mit dem Titel "Rundflug um die Artemed-Klinik" ansieht, die auf der Homepage der Bürgerinitiative "Pro Feldafing" zu finden ist. Da saust man virtuell durch die Lüfte, vom Ostufer des Starnberger Sees hinüber zur "Perle am See" - doch was ist das? Ein Schloss? So thront das Gebäude fast wie Schloss Neuschwanstein über Füssen auf einem Hügel über Feldafing, von allen Seiten schon von weitem auszumachen. Beim Näherkommen wird klar: Es ist der vierflügelige Klinikneubau, der das Landschaftsbild dominiert. Klein, fast putzig wirken dagegen die Kaserne der Bundeswehr und das benachbarte Global Leadership Center von Siemens.

Auch auf den Plakattafeln im Ort wird geklotzt: in leuchtendem Blau ein großes Viereck, das den Klinikneubau simuliert, "18,5 Meter + Aufbauten", heißt es im Text. Daneben geht ein kleines Häuschen (Höhe 4,2 Meter) völlig unter. Und wer es immer noch nicht verstanden hat, braucht nur das dritte Plakat daneben zu lesen: "Zu groß! Zu viel! Klinik ja! Aber kleiner", heißt es darauf. Verantwortlich dafür sind Julia Finkeissen, Wolfgang Dorn-Zachertz und Karl Singer, die Initiatoren des Bürgerbegehrens, das eine Gesamtplanung für das Kasernengelände der Bundeswehr fordert. Was im Falle eines Sieges bei der Abstimmung am Sonntag, 19. Juli, zumindest eine jahrelange Verzögerung des Klinikneubaus, vermutlich aber das Ende des Projekts bedeuten würde.

Was aussieht wie eine Parklandschaft, ist die Feldafinger Fernmeldeschule. Darüber thront in der Simulation der geplante Klinikneubau. (Foto: Bürgerbegehren Feldafing)

Detailverliebt und überfrachtet wirken dagegen die Plakate, auf denen es heißt: "Sagen Sie Ja zur Fortführung des Bebauungsplans Artemed". Es wird mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen argumentiert, und dass es dabei um die Klinikmitarbeiter geht, macht ein Plakat mit einem Foto von Mitarbeitern des Benedictus-Krankenhauses deutlich. "Wir sind ein Teil Feldafings und wollen es bleiben", heißt es im Text. Fakt ist: Die Klinik will bekanntlich auf dem Kasernenareal neu bauen, und hat dafür schon mal einen Teil aus dem von den Militärs genutzten Gelände herausgelöst bekommen und gekauft, lange bevor die Bundeswehr das Areal räumen wird. Das ist nach jetzigem Stand für 2019 geplant. Doch so lange will Artemed mit dem Klinikneubau nicht warten. Nach langem Hin und Her hat der Gemeinderat im Februar dieses Jahres einen Bebauungsplan einstimmig auf den Weg gebracht, mit dem auch der letzte strittige Punkt - die Größe und Anzahl der Personalwohnungen für die Klinikmitarbeiter - aus dem Weg geräumt worden war. Zuvor hatte sich vor allem die Gestaltungsmehrheit aus CSU, Grünen und AUF quer gelegt, doch nach intensiven Gesprächen hinter den Kulissen kam es zum Kompromiss, der bis heute hält. Er gilt als Grundlage für das Ratsbegehren, mit dem der Gemeinderat die Gegenposition zu den Initiatoren des Bürgerbegehrens für eine Gesamtplanung bezieht.

Die Sachlage ist aber noch komplizierter: Vor dem Kompromiss war bereits ein Bürgerbegehren initiiert und terminiert worden, das für den Klinikneubau Stellung bezogen hatte. Schnell waren die nötigen Unterstützerunterschriften gesammelt, was offenbar auch auf einige zaudernde Gemeinderäte Eindruck gemacht hatte - es kam Bewegung in die Sache. Das Bürgerbegehren wurde zurückgezogen, da dessen Ziele vom Gemeinderat übernommen worden waren. Doch wenige Tage später traten dann die Initiatoren des zweiten Bürgerbegehrens auf den Plan.

Auf dem Bild das Plakat mit den kritisierten Größenverhältnissen. (Foto: Nila Thiel)

Es folgten juristische Schachzüge der Bürgerinitiative, hervorgerufen durch Pannen seitens der Gemeinde. So kamen in einem Flyer, in dem jeder Gemeinderat begründete, warum er für die Fortführung des Bebauungsplans Artemed ist, die Gegner nicht in angemessener Form zu Wort, was ihnen zugestanden hätte. Und dann die Sache mit den fehlerhaften Stimmzetteln, auf denen ein Wort vergessen worden war, was nach Einschätzung des Landratsamtes sinnentstellend wirkte - und ein Anfechtungsgrund für die Abstimmung gewesen wäre. So einigte man sich gleich darauf, den Abstimmungstermin von Mitte Juni auf den 19. Juli zu verschieben.

Seitdem läuft der Wahlkampf. Thomas Theil, im Gemeinderat Ortsteilsprecher von Garatshausen, wirft der Bürgerinitiative in einem offenen Brief "moralisch inkorrektes Verhalten" vor. Er nimmt auf das eingangs zitierte Plakat mit den Größenordnungen Bezug. Das als Referenz eingezeichnete Wohnhaus "widerspricht jeder Vorstellung von Realität. Ich bin mir sicher, dass es kein Haus in Feldafing gibt, welches diese Dimensionen aufweist, schon gar nicht die von den Initiatoren des Bürgerbegehrens selbst bewohnten Häuser. Als Erklärung: Das Haus auf dem Plakat ist im gezeigten Maßstab nur 2,8 Meter breit und sogar die Person mit knapp 1,5 Meter Größe würde sich noch mächtig bücken müssen, um durch die Tür zu kommen", heißt es in dem Brief ironisch.

Demgegenüber fordert die Bürgerinitiative: "Schluss mit Heimlichtuerei und falschen Behauptungen." Und sie fragt auf ihrer Homepage, ob die Feldafinger wüssten, dass der Klinikbetreiber "dieses Sahnegrundstück für 90 Euro pro Quadratmeter gekauft hat". Darüber hinaus würden Kliniken auch noch "grundsätzlich keine Gewerbesteuer zahlen". "Fakt" sei, nach Ansicht der Bürgerinitiative: Feldafing ist die einzige Gemeinde Deutschlands, die das Herzgrundstück eines Konversionsgeländes ohne Gesamtkonzept einem Kapitalinvestor zugeschoben hat - in Geheimabsprachen vor Einbeziehung des Gemeinderats".

Am kommenden Dienstag, 14. Juli, 19.30 Uhr, laden die Verfechter des "Bürgerentscheids 2", wie es auf dem Stimmzettel heißt, also die Verfechter einer Gesamtplanung, zu einem Diskussionsabend in den Gasthof Poelt ein. Es dürfte lebhaft werden. Schließlich geht es um die "Zukunft unserer Gemeinde", und zwar nicht um eine ungewisse Zukunft, sondern eine "ehrliche und nachhaltige". So zu lesen auf der Homepage der Bürgerinitiative. Bereits am Samstag, 11. Juli, gibt es auch die Möglichkeit, das Baugelände und das Umfeld in Augenschein zu nehmen - und sich von Klinikbetreiber Artemed informieren zu lassen. Von 14 bis 18 Uhr findet der "Tag des offenen Tores" statt, der Eingang ins Kasernengelände erfolgt aber nicht über die Hauptwache an der Tutzinger Straße, sondern vom Ende der Siemensstraße aus. Dort leben die glühendsten Gegner des Klinikneubaus, die - so heißt es - nichts anderes wollen als ihre Ruhe.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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