Der Sammler:Auf den Trichter gekommen

Lesezeit: 3 min

Bernhard Sontheim sammelt nun Grammophone. Es ist die alte, aber dennoch ausgereifte Technik, die den Feldafinger Bürgermeister und studierten Elektrotechniker fasziniert. Schon hat er 16 Exemplare

Von Otto Fritscher, Feldafing

Es war Liebe auf den ersten Blick: Als Bernhard Sontheim im vergangenen Frühjahr eines Tages durch Stuttgart spazierte, entdeckte er in einem Schaufenster ein Trichtergrammophon: "Das will ich haben", sagte er sich - doch das gute Stück war unverkäuflich. Wer Sontheim kennt, als hartnäckigen Menschen, Musikliebhaber und ausgewiesenen Jazz-Kenner, der kann gut nachvollziehen, dass Sontheim, im Hauptberuf Feldafinger Bürgermeister, keine Ruhe gab, bis er das Stück via Ebay erworben hatte. Zwar nur als Replik, "aber das Original wäre ohnehin unfinanzierbar", sagt Sontheim. Wenn man den Trichter umklappt, geht eine Nadel - der Tonabnehmer - in die Rille der Schallplatte nieder und spielt mit Knistern zum Beispiel den Donauwalzer ab.

Sontheim sitzt sichtlich angetan neben dem Grammophon und erklärt seine neue Passion: "Es ist eine einfache Technik, die aber funktioniert." 16 Grammophone und Phonographen - wie die Vorläufer der Plattenspieler hießen - hat Sontheim innerhalb eines halben Jahres zusammengekauft, Originale und Replika, mit Preisen "von 50 Euro bis sag' ich nicht." Der studierte Elektrotechniker zerlegt die antiquierten, oftmals kaputten Grammophone und fummelt so lange mit großer Geduld an deren mechanischem Innenleben herum, bis sie wieder Töne von sich gaben. "Da kann man viel reparieren", sagt Sontheim, der sich natürlich auch schon entsprechendes Werkzeug angeschafft hat.

Sein Keller hat sich inzwischen zu einem veritablen Tonstudio entwickelt. Denn nicht nur die alten Plattenspieler zieren Tische und Regale, es gibt auch hochmodernes Equipment, zum Beispiel einen Studioplattenspieler von Transrotor und, man höre und staune, eine Plattenwaschmaschine. Beide Teile gehören allerdings nicht Sontheim persönlich, sondern dem Verein "Jazz am See", dem Sontheim wiederum vorsteht. Die Plattenwaschanlage säubert die LPs mit einer speziellen Flüssigkeit und trocknet sie wieder, sodass sie ohne Knistern abgespielt und gleichzeitig von Sontheim digitalisiert werden können. Dafür verwendet er ein hochwertiges Audio-Programm, einen Laptop und Festplatten mit einer Speicherkapazität von insgesamt zwölf Terabyte. Und Sontheim bietet einen ganz besonderen Service: Wer eine seiner alten Vinyl-Schätzchen, die im Regal oder im Keller verstauben, revitalisieren will, kann dies bei Jazz am See erledigen lassen, für einen Zehner pro LP. Dafür sitzt dann der Chef persönlich an der Plattenwaschmaschine. Auch für das Archiv des Vereins muss Sontheim noch einiges an Zeit aufbringen, bis es digitalisiert ist. Das Vereinsarchiv hat sich auf Platten des ersten deutschen Jazz-Labels MPS - Musikproduktion Schwarzwald - spezialisiert. "Von den 530 MPS-Produktionen, die es gibt, haben wir 526", sagt Sontheim. "Die vier, die uns noch fehlen, gibt es aber nicht mehr auf dem Markt."

Zum Abspielen hat Sontheim nun die verschiedensten Gerätschaften zur Verfügung, vom Trans Rotor Gold Star bis hin zu seinem schönsten Stück, wie er findet: einem "His Masters Voice" in einem Mahagoni Gehäuse, das es vom Keller ins Wohnzimmer geschafft hat. "Da hat meine Frau nichts dagegen, sie unterstützt mein Hobby", erklärt der Grammophon-Freak. Einziger, aber nicht sichtbarer Nachteil: Es ist kein komplettes Original mehr. Klingt aber sehr voll und auch lautstark, wenn Sontheim mit flinken Fingern die Nadel auswechselt. Einen Lautstärkeregler haben diese Grammophone nicht, die Lautstärke wird über verschiedene Nageln geregelt. "Ich hab gleich mal 500 Stück gekauft", sagt Sontheim, "denn wenn ich was mache, dann richtig." Zwischendurch erklärt Sontheim, warum auf dem Logo von "His Masters Voice" ein Hund vor einem Grammophon sitzt. "Das ist Nipper, der der Stimme seines gestorbenen Herrchens lauscht." Dann nimmt Sontheim eine kleine Walze in die Hand. "Die hat man in Phonographen verwendet, die Alva Edison erfunden hat", erklärt er. Die Schallplatte habe ja bekanntlich Emil Berliner erfunden. Ein Nachbau eines dieser Berliner-Grammophone war das zweite Stück in Sontheims aufkeimender Sammlung. Dazu gehört etwa auch ein Edison-Rohr, eine Art Trichter, die als Betoneinfüllstutzen zweckentfremdet worden war. "Das kann man sich gar nicht vorstellen, wie das ausgesehen hat", sagt Sontheim. Er hat "den Dreck rausgemacht und poliert", bis das Stück wieder als Edison-Rohr erkennbar war.

Eine Plattenwaschmaschine macht LPs so sauber, dass sie nicht mehr knistern sollen. (Foto: Georgine Treybal)

Seinen nächsten Wunsch kennt Sontheim schon: Es ist ein Aufnahmegerät für Wachswalzen, wie sie in den frühen Phonographen verwendet wurden. Und er weiß auch schon, was er dann aufnehmen will: "Den Sound von meiner Harley Davidson." Wie gut, dass bald Weihnachten ist.

© SZ vom 15.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: