Farchach:Energie aus dem Lüßbach

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Bis 1947 wurde in der ehemaligen Mühle Martinsholzen Strom erzeugt. Familie Siebenwirth nimmt jetzt eine neue Anlage in Betrieb, die 20 bis 30 Haushalte versorgen kann

Von Armin Greune, Farchach

Nach fast 70-jähriger Pause wird in Martinsholzen wieder Strom mit Hilfe des Lüßbachs erzeugt. Um zur regenerativen Energieproduktion beizutragen, haben Monika Demmler-Siebenwirth und ihr Mann Joachim Siebenwirth großen Aufwand betrieben: Auf dem Hof wurde für Turbine und Generator ein Kraftwerk gebaut. Der alte 1200 Meter lange Mühlkanal war frei zu räumen, am Zulauf entstand ein mit Natursteinen eingefasstes Bauwerk samt Fischtreppe und Überlauf-Rampe und für den Ablauf mussten unter dem Obstgarten von Martinsholzen auf 34 Meter Länge neue Rohre verlegt werden.

Seit 20. Juli läuft die Anlage im Probebetrieb und hat schon 6500 Kilowattstunden Strom produziert - mehr als der jährliche Eigenverbrauch des Gehöfts beträgt. Mit dem Überschuss von 60 000 bis 90 000 Kilowattstunden pro Jahr kann der Strombedarf von 20 bis 30 Haushalten im Jahr gedeckt werden. Das mag ein Klacks sein im Vergleich zu den vier Windrädern in Berg, die mehr als 3500 Haushalte versorgen können - ist aber doch ein spürbarer Beitrag zur Energiewende. Doch nicht alle sind von der Privatinitiative begeistert.

Das Lüßbachtal nördlich von Farchach ist als Biotop ausgewiesen, der Bund Naturschutz (BN) sieht vor allem im Bau des Zulaufs einen "schwerwiegenden Eingriff in Natur und Landschaft". Der BN-Kreisvorsitzende Günter Schorn bemängelt, dass die Naturschutzbehörde am Starnberger Landratsamt die Zerstörung der geschützten Vegetation zwar als verbotswidrig einstuft, aber als vertretbar ansieht: Denn dem Eingriff auf relativ kleiner Fläche stehe mit der Erzeugung regenerativer Energien ein "Belang des Gemeinwohls" gegenüber, wie es in der auf 30 Jahre befristeten Erlaubnis zur Wasserkraftnutzung im Mühlbach heißt. Der BN überlegt nun, ob er rechtliche Schritte gegen die aus seiner Sicht fehlerhafte Prüfung der Naturschutzbehörde einleitet.

Monika Demmler-Siebenwirth und Joachim Siebenwirth haben an der Zuleitung zum Mühlkanal unter anderem eine Fischtreppe errichten lassen.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Turbine und Generator in Martinsholzen laufen bereits im Probebetrieb.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Das Wasser fließt 35 Meter von dort...

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(Foto: Arlet Ulfers)

...in den Lüßbach zurück.

Durch das Kraftwerk seien "schädliche Gewässerveränderungen nicht zu erwarten" heißt es hingegen im Genehmigungsbescheid des Landratsamts. Die Fischereifachberatung ziehe zwar einen gänzlich barrierefreien Bachlauf vor, doch sei die ökologische Durchgängigkeit beim Bau der Anlage entscheidend verbessert worden: An der Ableitung zum Kanal, wo vorher ein 1,20 Meter hohes Wehr ein unüberwindbares Hindernis darstellte, ist der Lüßbach nun mit einer Fischtreppe ausgestattet, die allerdings noch nachgebessert werden muss. Im Bach finden sich erstaunlich viele Fischarten, mit der Aufstiegshilfe könnte etwa die Seeforelle wieder zu ihren Laichgründen wandern. Beim neuen Ausleitungsbauwerk zum Kanal - das über den Hälsbach führt - wurden teure Granitsteine verwendet: Joachim Siebenwirth legt als Grundeigentümer dort auf ein attraktives Landschaftsbild Wert.

Als Inhaber der Fischereirechte will er auch dafür Sorge tragen, dass die Tiere beim Kraftwerksbetrieb möglichst geschont werden. Vor der Turbine ist ein Rechen mit zwölf Millimetern Weite eingebaut. Um den Regelungen zum Fischschutz zu genügen, hätte auch ein billigerer Rechen mit 16 Millimetern Weite ausgereicht. Markus Hannweber, der am Weilheimer Wasserwirtschaftsamt für die Genehmigung von Kraftwerken zuständig ist, lobt ausdrücklich, dass die gesetzlichen Auflagen in Martinsholzen "vorbildlich verwirklicht wurden": Neben Fischschutz und der ökologischen Durchgängigkeit schreibe das Wasserhaushaltsgesetz eine Restwassermenge vor, die nach der Entnahme im Bach verbleibt. Die Vorgabe, dass der Lüßbach weiter mindestens 70 Liter Wasser pro Sekunde führt, werde schon durch die Konstruktion des Zulaufs gewährleistet. Darüber hinaus seien Siebenwirths verpflichtet, die im Kraftwerk registrierten Daten über die Wasserentnahme drei Jahre lang für unangekündigte Kontrollen aufzubewahren, so Hannweber.

Die maximale Menge, die das Kraftwerk bewältigen kann, beträgt 360 Liter pro Sekunde. Bei Hochwasser wird der Überschuss am Zulauf über eine raue Rampe abgeführt, um den Mühlkanal nicht zu überlasten. Im Kraftwerk ist eine eigens für Martinsholzen angefertigte Durchströmturbine installiert, wie sie Fritz Ossberger 1922 entwickelt hat: In ihr wird das Laufrad zweimal vom Wasserstrahl getroffen, die Fallhöhe beträgt 7,20 Meter, die Nennleistung 20 Kilowatt. Eine relativ simple Mechanik und eine selbstreinigende Wirkung bedingen geringen Wartungsbedarf und eine hohe Robustheit. Vor allem aber ist die Ossberger-Turbine mit zwei unterschiedlich großen Kammern sowohl für Niedrig- wie für Hochwasser ausgelegt. Beim Durchlauf werde das Wasser mit Sauerstoff angereichert und fließe so "sauberer" in den Lüßbach zurück, als es entnommen wurde, sagt Joachim Siebenwirth.

Das alte Mühlrad erinnert an die Historie des Gehöfts Martinsholzen. (Foto: Arlet Ulfers)

Mit dem Kraftwerk ist das Anwesen nun auch bei der Energieerzeugung autark, das 500 Meter vom nächsten Haus entfernte Martinsholzen hat schon eine Kläranlage und eine eigene Trinkwasserquelle. Die beiden Wohnhäuser werden vor allem mit einer Pelletanlage beheizt, das Holz dafür stammt aus dem eigenen Wald. Wasserkraft wird in Martinsholzen bereits seit dem Mittelalter genutzt, 1439 wird der ehemalige Patrizierhof als Mühle erwähnt, erzählt Monika Demmler-Siebenwirth. Das Anwesen sei 1850 in den Besitz ihrer Familie gelangt: Nachdem der letzte Müller der letzten Choleraepidemie zum Opfer fiel, habe ihr Urgroßvater Sebastian Demmler das Anwesen ersteigert. Bis 1947 sei im unteren Haus, der ehemaligen Mühle, Strom zum buttern und sägen erzeugt worden. 1975 wurde die alte Turbine entfernt.

Beim Neubau, der Ende März begann, hatten die Siebenwirths mit dem schlechten Wetter zu kämpfen, der Einbau der Turbine verzögert sich so um zwei Monate. Mit einem anderen potenziellen natürlichen Widersacher habe er ein Abkommen geschlossen, scherzt Joachim Siebenwirth: "Der Biber darf im Lüßbach bauen, was er will, aber dafür bleibt der Mühlkanal dämmefrei."

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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