Einheimischenmodell:Starnberger Reihenhaus-Bingo

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Stadträte und Besucher verlosen Plätze

Von Peter Haacke, Starnberg

Gespannte Erwartungen im Kleinen Saal der Schlossberghalle: Zwei Dutzend Zuhörer haben tapfer ausgeharrt und verfolgen im Starnberger Ferienausschuss ein ungewöhnliches Prozedere. Es ist der zweite Anlauf zur Verlosung von 51 Reihenhaus-Grundstücken für das Einheimischenmodell "Am Wiesengrund". Zuhörer und Stadträte fischen knapp eine Stunde lang kleine, gefaltete Zettel aus einer Porzellanschale und verlesen - ähnlich wie bei einem Gewinnspiel in einem Ferienclub - die Ziffern darauf. Aber niemand ruft "Bingo". Denn außer der Stadtverwaltung weiß keiner, wer die 51 Gewinner des Verfahrens sind. Erst in den nächsten Tagen wird darüber Gewissheit herrschen: Am Donnerstag, sagt Bürgermeisterin Eva John, gehen die persönlichen Bescheide an alle Bewerber in die Post.

Um die Grundstücke hatten sich mehr als 320 potenzielle Häuslebauer mittels eines mehrseitigen Fragebogens beworben, knapp 50 waren aus verschiedenen Gründen vorab aussortiert worden. Alle Bewerber mussten bis Ende Januar ausführlich Auskunft über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geben: über Vermögen, Immobilien, Kinderanzahl, pflegebedürftige Personen, ehrenamtliches Engagement, Schwangerschaft, Finanzierung und vieles andere mehr. Die Verwaltung erstellte - basierend auf den Angaben - anhand eines Kriterienkatalogs eine Rangliste, bei der am Ende mehrere Bewerber die gleiche Punktzahl aufwiesen. Unter den Gleichen musste die Rangfolge daher bis zum letzten Platz ausgelost werden.

Zwar hatten sich die Stadträte schon einmal im Juni nichtöffentlich als Glücksfeen betätigt. Doch offenbar gab es Proteste, mutmaßen einige Stadträte, weshalb das anonymisierte Verfahren öffentlich wiederholt wurde. An der Wand erscheint eine Zahlenkolonne. Am Besten schneiden drei Bewerber mit 92,5 Punkten ab, der Vierte hat 90 Punkte, der Fünfte 87,5. Die Plätze 9 bis 19 werden ebenfalls gelost, interessant aber wird es erst ab Rang 29: Gleich 39 Bewerber haben 75 Punkte. Doch selbst diejenigen, die noch weniger Ranglistenzähler haben, können weiter hoffen: Die 51 Ranglistenersten müssen nun erklären, ob sie ihre Option wahrnehmen. Gut möglich, dass der eine oder andere noch abspringt, was nicht unwahrscheinlich ist: Manchmal ändern sich die Verhältnisse eben. Somit dürften sich reelle Chancen auch für weiter hinten Platzierte ergeben.

Mindestens 400 000 Euro, schätzen Experten, wird so ein Reihenhaus mit Flachdach kosten, wahrscheinlich mehr. Was für Starnberger Verhältnisse aber immer noch als sehr günstig gilt. Vorm kleinen Saal wird derweil weiter diskutiert. Die meisten Zuhörer, die auf eine konkrete Zusage gehofft hatten, sind vorzeitig gegangen. Die Verbliebenen plagen derweil Zweifel: Einige kritisieren das Verfahren, andere erörtern theoretische Möglichkeiten der Manipulation. Denn ein Notar fehlte auch diesmal bei diesem städtischen Gewinnspiel, das in wenigen Monaten mit der Vergabe von Eigentumswohnungen fortgesetzt werden soll.

© SZ vom 02.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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