Doppelmord von Krailling:Todeskampf im Kinderzimmer

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Thomas S. soll seine beiden kleinen Nichten aus Habgier brutal ermordet haben, nun liegt die Anklageschrift gegen ihn vor. Laut Ermittlungen der Staatsanwaltschaft war der Doppelmord von Krailling noch brutaler als bisher bekannt - offenbar kämpften die Kinder verzweifelt um ihr Leben.

Annette Ramelsberger und Christian Deussing

Der Mordfall von Krailling, bei dem am 24. März 2011 zwei kleine Mädchen getötet wurden, war nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch bedeutend brutaler als bisher bekannt. Offenbar kämpften die Kinder verzweifelt um ihr Leben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Thomas S., dem Onkel der Kinder, vor, die Mädchen in ihrer Wohnung mit einem Seil gewürgt, einer Hantelstange geschlagen und mit einem Steakmesser erstochen zu haben. Der Prozess gegen ihn wird am Dienstag eröffnet.

Ein Polizeibeamter steht in Krailling vor dem Haus, in dem die Leichen von Chiara und Sharon entdeckt wurden. Nun beginnt der Prozess gegen ihren Onkel. (Foto: dapd)

Was bisher nicht klar war: Die elfjährige Sharon hatte laut Anklage mitbekommen, dass der Onkel ihre kleine, acht Jahre alte Schwester Chiara würgte, und wollte aus der Wohnung fliehen. Sie schaffte es bis in die Wohnküche, dort stellte sich ihr der Onkel in den Weg und ging mit Hantel und Messer auf sie los. Während die große Schwester Sharon um ihr Leben kämpfte, versuchte die bereits schwer verletzte Chiara von innen die Tür zu ihrem Kinderzimmer zuzudrücken - sie bekam den Todeskampf der Schwester unmittelbar mit und muss, so die Anklageschrift, "Todesängste" verspürt haben.

Die Anklage wirft Thomas S. vor, nach dem Mord an Sharon die Tür zu Chiaras Zimmer aufgedrückt zu haben und dem Kind mit einer Hantelstange den Kopf zertrümmert zu haben. Zudem habe er elfmal auf ihren Oberkörper eingestochen. Danach brachte er das sterbende Kind ins Schlafzimmer der Mutter und platzierte es auf dem Bett. Die Staatsanwaltschaft hält Thomas S. vor, er habe auch die Mutter der beiden Mädchen, Anette S., töten wollen. Dafür habe er die Badewanne volllaufen lassen und einen Handmixer danebengelegt.

Um Anette S. zu überwältigen, habe er eigens ein Stromkabel im zweiten Stock der Wohnung aus der Wand gerissen, um die Frau im Dunkeln anzugreifen. Er habe sie in die Badewanne legen und den Mixer hineinwerfen wollen, um sie zu töten. Die Tat habe so aussehen sollen, als ob die Mutter sich selbst und ihre Kinder getötet habe. Weil Anette S. aber nicht wie gedacht gegen 02.00 Uhr in der Nacht, sondern erst weit nach 04.00 Uhr morgens nach Hause kam, gab der Angeklagte seinen Plan auf und verließ den Tatort - so die Anklage.

Anwalt des Angeklagten will Rolle der Ehefrau hinterfragen

Als Tatmotiv nennt die Staatsanwaltschaft eindeutig Habgier. Durch den Bau eines Einfamilienhauses in Peißenberg sei die Familie von Thomas S. in eine finanzielle Notlage geraten, die er vor der Familie verborgen habe. Als die Gerichtsvollzieherin Anfang März drohte, es seien 16.000 Euro zu vollstrecken und sie werde die Ehefrau laden, um den Offenbarungseid zu leisten, habe der Angeklagte beschlossen, die Familie von Anette S. zu töten, um an deren Erbe zu kommen.

Für den Anwalt des Angeklagten, Adam Ahmed, ist dagegen das Motiv der Habgier nicht unbedingt stichhaltig. Ein derartiges Verbrechen zu begehen und dabei einen Mitnahme-Suizid vorzutäuschen, hält Ahmed für eine "kühne Variante" der Staatsanwaltschaft. Zudem sehe er Widersprüche in der Anklageschrift. Der Verteidiger sagte auf Anfrage der SZ überdies, dass man sich fragen müsse, ob es nicht zwei Täter gebe - unabhängig von Thomas S. Denn vieles spreche dafür, glaubt Ahmed. Der Anwalt will im Prozess zudem die Rolle von Ursula S., der Ehefrau von Thomas S., hinterfragen - zum Beispiel, ob sie von der Finanznot nicht hätte wissen müssen. Auch auf diese Antworten sei er "sehr gespannt". Diese Zeugin sei für alle Beteiligten besonders interessant.

© SZ vom 13.01.2012/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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