Dirigent Andreas Sczygiol:Fitzcarraldo aus Seefeld

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"Oper rechnet sich nie, nirgends auf der Welt": der Dirigent und frühere Familientherapeut Andreas Sczygiol aus Seefeld. (Foto: Georgine Treybal)

Dirigent Andreas Sczygiol und seinem Team gelingt das Kunststück, anspruchsvolle Opern auf die Bühne der Schlossberghalle Starnberg zu bringen.

Von Gerhard Summer, Seefeld

Starnberg mag ja vieles sein: die Republik der Cabriofahrer und Millionäre, die matte Perle am See und der Schauplatz eines elend langen Tunnel-Dramas. Aber eine Opernstadt? Klingt abenteuerlich, schon weil es weit und breit kein wirklich geeignetes Theater dafür gibt.

Doch der Dirigent Andreas Sczygiol, 36, und sein Team sind auf diesem Weg. Vor drei Jahren war er auf die "verrückte Idee gekommen, Oper in Starnberg zu machen", und das ausgerechnet in der Schlossberghalle, einem oft gescholtenen, längst in die Jahre gekommenen Mehrzweckbau. Denn so wichtig das Nationaltheater München und andere "Tempel der Kunst" seien, so wichtig seien die freien Produktionen, könnte doch ansonsten mit dem Niedergang der Stadttheater ein "Kulturschatz verloren gehen", wie Sczygiol findet. Die Premiere 2014 mit Henry Purcells "Dido und Aeneas" war mit zwei ausverkauften Vorstellungen ein Erfolg, der nächste Streich im Jahr darauf, Ruggero Leoncavallo komplexer, in den Hauptrollen exzellent besetzter "Bajazzo", ein absoluter Coup.

Was auch daran liegt, dass Sczygiol, der Fitzcarraldo aus Seefeld, auf einen klug gewählten Mittelweg setzt, ob es um Ideen der historischen Aufführungspraxis oder um das Repertoire geht. Denn er will eine Kunstform, "die im Verdacht des Elitären steht", von ihrem Sockel herunter holen. Deshalb nehmen sich junge Profis und Laien Werke vor, die bekannt sind, aber eben keine Gassenhauer. Die mit Zuschüssen, Spenden und Sponsorengeld mühsam finanzierte Oper in Starnberg will in der Region verwurzelt sein und zugleich mit Inszenierungen auf hohem Niveau überregionale Strahlkraft entwickeln.

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Von Gerhard Summer

Sczygiol, ein gebürtiger Tölzer, der in Geretsried und München aufgewachsen ist und seinen polnischen Nachnamen vom "oberschlesischen Stiefvater meines Stiefvaters" geerbt hat, liebte immer schon die Herausforderung. Mit sechs Jahren war ihm klar, dass er nur eines werden könnte: Musiker. Er fing mit klassischer Gitarre an. Mit Zwölf fand er, dass dieses Zupfinstrument zu begrenzt ist, er kam auf die Idee, eine Symphonie zu schreiben und gleich auch zu dirigieren. Mit 16 ging er als Jungstudent an die Musikhochschule Hamburg. Und mit 19 leitete er erstmals einen Chor, mit 21 hatte er sein erstes eigenes Orchester. Georg Sandmann von der Musikhochschule Dresden gehört zu seinen Förderern, der Dirigent Christian Thielemann zu seinen Lehrern.

Im Frühsommer 2001 warf ein "ganz banaler" Kletterunfall Sczygiol aus der Bahn: Er fiel bei einer Scharnitz-Tour aus drei Metern Höhe auf den rechten Arm. Ein Nerv war verletzt, Sczygiol konnte auch nach zwei Operationen nur mit Schmerzen dirigieren. Bald hatte er die Quälerei satt. Er brach mit der Klassik, machte eine dreijährige psychotherapeutische Ausbildung und arbeitete von 2006 bis Ende 2013 hauptsächlich als Familientherapeut. Seit knapp drei Jahren hat ihn die Musik wieder, zum Glück. Sczygiol leitet inzwischen neben seinem Vokalensemble Fünfseenland auch den Münchner Brahmschor und den Chor des Englisch-Speaking Music Ensembles München. Im Vorjahr dirigierte er unter anderem auch das Stabat Mater von Dvořák in Prag und im Münchner Herkulessaal. Der lädierte Nerv hat sich beruhigt.

Im Juni und Juli steht nun Glucks "Orpheus und Eurydike" auf dem Starnberger Spielplan. Sczygiol und die Choreografin Ada Ramzews haben die Oper in der ursprünglichen italienischen Fassung schon im Herbst 2014 im Carl-Orff-Saal des Gasteigs gemacht. In der Schlossberghalle ist die spätere französische Version des Komponisten mit Ballett zu sehen. Heuer wird der Intendant, der bislang ehrenamtlich Aufbauarbeit leistete, übrigens erstmals ein Honorar bekommen. Genauer gesagt: eine Aufwandsentschädigung wie die Gesangssolisten auch. "Letztlich kommt niemand auf seine Kosten", sagt Sczygiol.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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